Im Berliner Abgeordnetenhauswahlkampf starteten die Grünen heute ihre nächste Kampagnenphase. Im Rahmen einer Pressekonferenz mit Spitzenkandidatin Renate Künast wurde die „Grüne Mitsprachestadt“ als neuer Teil des Internetauftritts der Grünen Berlin präsentiert. Auf einer Stadtkarte können Nutzer Hinweise geben, wo die Grünen nach der Wahl „ran müssen“.
Deutlich spannender als die inzwischen vielfach kopierte (aber immer noch spannende) „fix my street„-Idee ist jedoch die ebenfalls heute veröffentlichte iPhone-App der Grünen Berlin. Obwohl Apps bspw. bereits im Bundestagswahlkampf 2009 (iSPD) und im Lantagswahlkampf in NRW 2010 (FDP NRW & Grüne NRW) eingesetzt wurden, betreten die Grünen aus Sicht der politischen Kommunikation jedoch Neuland, indem sie auf Augmented Reality setzen. Auf diese Weise kann man per Kamerabild des iPhone die in der Nähe gelegenen Aufgaben der „Mitsprachestadt“ ansehen und selbst Aufgaben in seiner Umgebung anlegen.
Außerdem wurden Informationsvideos für die Wahlplakate produziert. D.h. sobald man das iPhone auf ein Plakat richtet, soll die App automatisch Hintergrundinformationen liefern. Ein völlig neuer Ansatz, nachdem insbesondere die Piraten schon verschiedentlich mit QR-Codes auf Wahlplakaten gearbeitet haben.
Einen Haken hat die App der Grünen Berlin jedoch: Sie ist nur für iPhone-Besitzer nutzbar. Auf der Internetseite der Grünen heißt es dazu:
„Leider ist die App momentan nur für iPhone 3GS und iPhone 4 erhältlich – eine Umsetzung auf andere Systeme ließ sich für den Wahlkampf nicht realisieren.“
Bei angeblich täglich 500.000 neuregistrierten Geräten mit Android als Betriebssystem, sperrt man hier also eine nicht zu unterschätzende Nutzergruppe aus. Und so wird im Netz bereits an verschiedenen Stellen darüber gelästert, dass die Grünen inzwischen wohl zu Partei der iPhone-Besitzer geworden seien. Außerdem machen die Grünen auf ihrer Internetseite in besonderer Weise Werbung für Apple, da gleich zwei mal eine allgemeine Apple-Produktseite verlinkt ist und nicht die App selbst.
Doch egal, ob eine App für alle Plattform verfügbar ist oder nicht, sie hat in jedem Fall einen nicht zu unterschätzenden Nachteil: Sie verlangt eine sehr hohe Aktivitätsbereitschaft der Nutzer. In einem ersten Schritt muss die App auf das eigene Smartphone geladen werden und anschließend wird ein aktivies und regelmäßiges Öffnen der App vorausgesetzt. Was bringt es schließlich einer Partei, wenn die eigene App eine hohe Anzahl an Downloads aufzuweisen hat, jedoch bei den meisten Nutzern direkt im App-Nirvana des Smartphones gelandet ist? Mein Kampagnenpraxis-Kollege Lorenz Keller hat es in seiner letzten p&k-Kolume (März 2011, S. 37) treffend auf den Punkt gebracht:
„iPhone-Apps versprechen uns ein besseres Leben: Sie dienen als Gesundheitsratgeber, ausgefallene Wecker und Reiseführer. Immer mehr Politiker wollen darum ihren eigenen Stern am App-Himmel. Dabei wird gerne vergessen: Eine App alleine schafft keinen Wert – und erst recht kein Bedürfnis.“
Deshalb wage ich die Behauptung, dass Apps in der Wahlkampfkommunikation nur eine kurzzeitige Erscheinung sein werden. Trotzdem werden mobile Endgeräte eine immer größere Relevanz gewinnen. Das Zauberwort ist HTML5. Was mit damit auf iPhone und Co. möglich ist, zeigt seit kurzem bspw. Twitter mehr als deutlich. Und so wird die politische Kommunikation früher oder später also doch noch die Mobile Devices erobern.
Der grüne Online-Wahlkampf in Berlin – Zufälle gibt’s da … , die gibt’s eigentlich gar nicht …: http://sebastiank.info/blog/2011/08/09/von-der-schwierigkeit-eines-online-wahlkampfes/
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