Der durchschnittliche CDU Wähler in Hessen ist 60 Jahre und älter, sagt die Forschungsgruppe Wahlen [PDF]. Grund genug, sich mal ein kleines Gedankenspiel zu erlauben. Neulich noch hat Altpräsident Roman Herzog vor einer Rentnerdemokratie gewarnt, wir kehren den Gedanken jetzt mal um und fragen provokativ:
Wie wäre die Landtagswahl in Hessen 2008 ausgegangen, wenn Rentner nicht hätten mitwählen dürfen?
Als Vorbemerkung noch: Dies ist natürlich keine Forderung, den Rentnern das Wahlrecht zu entziehen. Vielmehr geht es um die Rentner von morgen, denn Wahlentscheidungen ändern sich ja eben nicht mit dem Eintritt in die verdiente Altersruhe.
Und schon ist das Problem offenkundig. Waren bei der (gleichberechtigten) Wahl CDU und SPD noch gleichauf, so stürzt die CDU unter Ausschluss der Rentner auf katastrophale 33% ab, während die SPD sich zu 41% aufschwingen kann. Somit würde es sogar, mit den 10% der Grünen, tatsächlich für einen rot-grünen Machtwechsel reichen.
DIe CDU besonders in Hessen sollte sich also ernsthaft Gedanken machen, wie sie den Wählern von morgen sympathischer werden kann – denn die Zeit arbeitet gegen sie.
3 Dinge möchte ich feststellen bzw. ansprechen:
1. Nicht jeder Erwachsene über 60 ist schon im Rentenalter, man denke an die beginnende Erhöhung des Renteneintrittalters. Sicher arbeitet auch heute nicht jeder bis zu den geplanten 65 Jahren, aber eben noch viele. Leider liegt das an der ungünstigen Einteilung in den dir zu Grunde liegenden Daten.
2. Nicht nur die Betrachtung der Wahlergebnisse nach dem Alter weißt einen solchen Gradienten auf, besonders auffällig sind die abfallenden Wählerstimmen sortiert nach Bildungsabschluss: So erhält die CDU Hessen bei den Hauptschulabsolventen 43%, bei den der Hochschule gerade einmal 28% (über die „Zwischenstufen“ ebenfalls konstant fallend). Im Gegensatz dazu hat die SPD einen relativ konstanten Wert zwischen 36-37%, FDP und Grüne „gewinnen sogar an Stimmen mit steigendem Bildungsgard“.
Stellt sich also die Frage, warum die CDU so unterschiedlich angenommen wird von den verschiedenen Gruppen – sortiert nach Bildung und Alter?
3. Eher etwas irrelavant, aber ist dir schon mal aufgefallen, dass du in letzter Zeit gerne die Worte „die Zeit arbeitet gegen sie“ verwendest?
1. Das liegt selbstverständlich an der Einstellung der Daten. Das durchschnittliche Renteneintrittsalter lag 2006 bei 63,2 Jahren [Quelle] – und das ist eine Differenz, die ich zu vernachlässigen bereit bin.
2. Ja, den Aspekt habe ich bei der Analye der Daten auch gesehen, finde ich ebenfalls sehr interessant. Weist übrigens Parallelen zur Wählerpreferenz Obama/Clinton in Amerika auf. Auch ein sehr interessantes Gebiet.
3. Ist mir nicht aufgefallen, laut Suche hier zuletzt im November gefallen – da gibt es Worte, die ich mehr benutze.
4. Freue ich mich, dass ich einen überbeschäftigten Medizin-Studenten für solche Themen begeistern kann :-)
zu 1.: Vielleicht sollten die betreffenden Institute ihre Einteilung verfeinern oder aber die Angabe über die Renter für alle Bundesländer direkt geben, wie man es für Niedersachen getan hat.
zu 2.: Nachdem ich den Kommentar verfasst habe und neben den Angaben für Hessen auch noch mal kurz über die aus Niedersachsen schaute, fiel mir zudem auf, dass in Niedersachsen die SPD die gleiche Problematik aufweist („14% Verlust“), die CDU hier jedoch geringer als die SPD bzw. die Hessen-CDU („7% Verlust“).
Die Frage nach den Ursachen drängt sich nun auf: Inwiefern unterscheiden sich die Programme der Parteien in den unterschiedichen Bundesländern, war es doch eher eine Frage der Spitzenkandidaten oder lag es an der Politik der bisherigen Landesregierung (beide Male CDU)?
Mit dem amerikanischen Wahlkampf/der amerikanischen Politik bin ich leider nicht vertraut, daher muss ich mich in dieser Hinsicht bedeckt halten.
zu 3.: Es bezog sich nicht nur auf deine Beiträge hier, sondern auch auf geführte Unterhaltungen zwischen uns (Bsp. Demographischer Wandel in Hessen bzgl. Autobahnen, der Versorgung der Rentner bzw. Pflegebedürftigen und der allgemeinen ärztlichen Versorgung).
Vielleicht ist mein Gedächtnis aber auch etwas verzerrt, denn von Januar bis April habe ich am normalen Leben kaum teilgenommen…
zu 4.: Ich weiß auch nicht, wie es dazu kam, zumal zu dieser Uhrzeit.
Das „vielbeschäftigt“ muss ich zum momentanen Zeitpunkt etwas relativieren, da mein Studium zur Zeit mal angenehm ist und kein großer Druck herrscht, allerdings möchte ich es nicht verschreien, denn ich genieße es und es darf gerne noch eine Weile anhalten.
Zudem ist es schön zu hören, dass ich dir damit eine Freude bereitet habe.
1. Die Institute fragen ja gar nicht nach Rentner, sondern nach „über 60-jährigen“. Und die werden ja erstaunlich genau erfasst :-)
2. Ursachenforschung halte ich hierbei noch für reine Spekulation, da könnte man ne ausgewachsene Dissertation zu verfassen. Ich fang dann schonmal an ;-)
3. Letzteres kann ich auf jeden Fall bestätigen.
4. Freut mich, dass es dich freut, dass es mich freut. Und es freut mich natürlich auch, dass du mal weniger ausgelastet bist.
Nachtrag: Als kleiner Einstieg in die Parallelen Clinton/Obama, die ich angesprochen hatte, bietet sich dieser Beitrag von Georg Watzlawek an.