Techniker vs. Pragmatiker

Am 3. März ist es soweit, es kommt zum Showdown vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
An diesem Tag wird der Zweite Senat sein Urteil im „Wahlcomputer-Verfahren“ sprechen. Der Frankfurter Informatiker Ulrich Wiesner hatte, nachdem er nach der Bundestagswahl 2005 mit einem Wahleinspruch beim deutschen Bundestag gescheitert war, eine Wahlprüfungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.

In der Zwischenzeit kam die Diskussion um die „rechnergesteuerten Wahlgeräte“, wie das BVerfG sie nennt, erst so richtig in Fahrt. Während die Gegner der „Wahlcomputer“, vor allem aus den Reihen des Chaos Computer Clubs (CCC), die demokratischen Wahlgrundsätze in Gefahr sehen, glauben die Befürworter, vor allem die Wahlleiter, in den „Wahlgeräten“ eine Lösung für eine Reihe von Problemen gefunden zu haben. In Zusammenhang mit mehreren Landtags- und Kommunalwahlen im Bundesgebiet kam es zu einem regelrechten Schlagabtausch zwischen den beiden Parteien. Doch in fast allen Diskussionen wurde deutlich, dass die beiden Gruppen vor allem eins tun, nämlich an einander vorbei diskutieren. Denn während die Gegner die technischen Aspekte des Themas vor Augen haben, gehen die Befürworter auf die pragmatischen Vorteile ein. Zwei, zwar natürlich stark miteinander verknüpfte Punkte, die man in der Diskussion jedoch nicht vermischen sollte.

Während die Gegner vor allem die Manipulationsgefahr vor Augen haben, geht es den Wahlleitern in vielen Fällen darum eine reibungslose Wahldurchführung zu gewährleisten. Vielfach stehen die Städte und Gemeinden vor einem akuten Mangel an Wahlhelfern, da die Bereitschaft sich einen ganzen Sonntag in einem Wahllokal um die Ohren zu schlagen, in der Bevölkerung bemerkbar abgenommen hat. Des Weiteren stellen gerade die Kommunalwahlen -mit ihren meist komplizierten Stimmgebungsverfahren– die Wahlleiter vor die fast unlösbare Aufgabe der mehrtägigen Stimmauszählung.

So weit wie in Kassel, wo 2004 kurzfristig 140 von insgesamt 300 Wahlhelfern absagten und ein Teil der zwangsrekrutieren Wahlhelfer nach Mitternacht voller Unmut den Dienst quittierten, führt es zwar in den wenigsten Fällen, doch müssen die Wahlleiter sehr aktiv um ihre Wahlhelfer kämpfen. Das können vor allem die bestätigen, die sich einmal freiwillig als Helfer gemeldet haben und seit dem von den chronisch leeren Listen möglicher Wahlhelferanwärter nicht mehr herunter kommen.
Mancherorts wird deshalb bereits mit erhöhten Erfrischungsgeldern und der Verlosung von Reisen oder Sachgegenständen geworben.

Doch auch die Gegner der elektronischen Wahlgeräte können mit medienwirksamen Ereignissen aufwarten. So schafften es Vertreter des CCC zusammen mit einer niederländischen Hackervereinigung, die elektronischen Wahlgeräte der Firma NEDAP zu hacken und zu einem Schachcomputer umzuprogrammieren, nachdem der Geschäftsführer der Herrstellerfirma die Hacker zuvor zu diesem Beweis aufgefordert hatte. Und auch ein 55 Seiten starkes Gutachten für das Bundesverfassungsgericht hatte man von Seiten des Chaos Computer Clubs verfasst (PDF!).

Den letzten Höhepunkt in diesem Thema stellte die Landtagswahl 2008 in Hessen dar. Der Chaos Computer Club versuchte damals mit aller Macht, den Einsatz der elektronischen Wahlgeräte zu verhindern, scheiterte jedoch am hessischen Staatgerichtshof (PDF!), der wenige Tage vor der Wahl die entgültige Freigabe erteilte.

Erst ein Jahr später konnten die Gegner punkten, denn zur vorgezogenen hessischen Landtagswahl in diesem Jahr untersagte der Landeswahlleiter den Einsatz der elektronischen Wahlgeräte, da man befürchtete mit dem möglichen Urteil des Bundesverfassungsgericht zu kolidieren. Im Oktober 2008 hatte das Bundesverfassungsgericht die beteiligten Akteure zur mündlichen Verhandlung geladen und es zeichnete sich ab, dass ein Urteil im Frühjahr 2009 zu erwarten sein wird.

Nächste Woche ist es nun also so weit. Beide Seiten gehen von einem Erfolg ihrer Position aus und man kann sagen, die Richter werden bis dahin keine leichte Aufgabe hinter sich gebracht haben.
Für den Fall, dass die Klage abgewiesen wird haben die Mitglieder des CCC bereits weitere Schritte geplant und es ist nicht zu erwarten, dass sie ihr Engagement auf Grund eines -für sie negativen- Urteils einschränken würden.
Sollte es jedoch zu einer Annahme der Klage und damit zum Verbot des Einsatzes der elektronischen Wahlgeräte kommen, würden die Wahlleiter, sowie ihre Städte und Gemeinden vor einer schwierigen Aufgabe stehen, denn ihre Geräte würden damit für sie nutzlos. Viele Städte und Gemeinden haben für die Anschaffung der elektronischen Wahlgeräte Kredite aufgenommen und würden nun auf ihren Schulden sitzen bleiben, weshalb ein Verbot auch schwerwiegende Auswirkungen auf die Finanzhaushalte einiger Kommunen haben würde. Auch deshalb beschweren sich viele Wahlleiter, dass der Chaos Computer Club erst viel zu spät mit seinen Vorwürfen an die Öffentlichkeit getreten sei, da man vielerorts bereits die teuren Geräte angeschafft habe, als die erste Kritik artikuliert wurde.
Das zweite Problem würden die fehlenden Wahlhelfer darstellen, doch dafür hat -wie auch die c’t bereits 2008 richtig bemerkte- der Chaos Computer Club mit seinem Leitspruch bereits selbst eine Lösung parat: „Hacker zu Wahlhelfern!“. Dann mal hoffen, dass dieser Spruch auch wirklich doppeldeutig gemeint war…

Und ganz egal, wie das Urteil am Dienstag ausfallen wird, als nächstes sollte man sich dem Thema „Briefwahl“ annehmen. Denn diese wird in Anbetracht des Diskurses über mögliche Manipulationen von elektronischen Wahlgeräten häufig außer acht gelassen. Obwohl Manipulationen gerade an dieser Stelle besonders leicht umzusetzen sind und die Anzahl der Briefwähler in den letzten Jahren kontinuierlich steigt.

Bildnachweis:
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3 Gedanken zu „Techniker vs. Pragmatiker

  1. Die Kommunen knnen sich nicht wirklich beschweren, dass es keine Kritik gab, bevor sie die Wahlcomputer gekauft haben. Vielleicht gab es noch keine in Deutschland, aber etwa in den USA, wo schön seit längerem Wahlcomputer eingesetzt werden.
    Und es gibt auch andere Probleme mit den Wahlcomputern, wie eine für viele Menschen unverständliche Handhabung oder mangelhafte Programmierung. Obwohl Bush jr. sich darüber gefreut haben dürfte.

  2. So, die Sache ist nun entschieden und ich finde das Ergebnis richtig. Mir ist einfach wohler dabei mit ’nem Stift mein Kreuz zu machen.

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