Vor dem TV-Duell machten sich die Verantwortlichen Gedanken, wie stark das Duell ins Netz strahlen sollte. Macht man einen Live-Stream oder fesselt man die Zuschauer an den Fernseher? Eigentlich sollte die Aufteilung anders aussehen, als es dann tatsächlich kam. Gerade einmal knapp 14 Millionen Zuschauer sahen das Aufeinandertreffen von Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier am vergangenen Sonntag.
„Es war das TV-Ereignis des bisherigen Jahres, doch die Zuschauerzahl lag dennoch unter den Erwartungen: 14,22 Mio. Leute sahen das TV-Duell zwischen Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier bei ARD, ZDF, RTL, Sat.1 und Phoenix – das ist die geringste Zuschauerzahl aller bisherigen Duelle. 2002 gab es bei den beiden Duellen jeweils mehr als 15 Mio., 2005 beim Schröder-Merkel-Duell sogar fast 21 Mio. Seher.“ (Quelle: meedia.de)
Die vier austragenden TV-Sender hatten sich im Vorfeld alle Mühe gegeben, das TV-Duell aus anderen Medien fern zu halten. So war sowohl den an einer Übertragung interessierten Radiosendern, wie auch den Webseiten der übertragenden Sendeanstalten eine Liveübertragung parallel zum TV-Programm untersagt worden (siehe dazu: Sueddeutsche, TAZ, DWDL). Man wollte die Wirkung des Duells alleine im Fernsehbildschirm bannen, doch diese suchte man am Sonntag Abend in weiten Teilen vergeblich. Die wirkliche Spannung hatte sich ins Internet verzogen. Obwohl damit zu rechnen war, schien das bei den Sendern niemand erwartet zu haben.
Das Problem mit dem Livestream
Letztlich gab es dann einen unangekündigten Livestream bei Phoenix, von dem aber auch noch niemand weiß, warum er nun doch den Weg ins Netz gefunden hatte. Die Nachricht verbreitete sich trotzdem rasend schnell bei Twitter. Der Stream erlaubte es nun zumindest auch duellinteressierten im Ausland am „Ereigniss“ teilzuhaben. Diese hatten in vielen Fällen offenbar nicht damit gerechnet, dass man in Deutschland wirklich auf die Idee gekommen war, das Duell aus dem Netz und Radio fernzuhalten (bspw. nkeim, Yussipick, planspark). Zwar hatte ZDF-Sprecher Alexander Stock allen Personen ohne TV-Gerät empfolen, Zattoo zu nutzten – doch ist dieser Dienst nur innerhalb von Deutschland verfügbar.
Aber auch ohne offizielles Livestreamangebot lies sich das Netz den Abend eindeutig nicht verderben. Ganz offensichtlich verfolgten viele das Duell nicht regungslos vor dem Fernsehbildschirm, sondern hatten zumindest noch eine Hand an der PC-Tastatur liegen. Dadurch gingen bereits kurz nach Duellstart die ersten Webseiten in die Knie. Besonders die Liveblogs hatten mit den ungewöhnlich hohen Zugriffszahlen zu kämpfen. Auch das Livetranskript des Duells, welches wahl.de als Ersatz für den fehlenden Stream anbot, war kaum nutzbar durch den unerwarteten Besucheransturm.
Twitter und Facebook halten Ansturm stand
Unbestreitbar klare Gewinner des Abends waren daher einmal mehr Twitter und Facebook. Bereits vor dem Duell wurden die ersten Bilder und Videos bei Twitter gepostet. So etwa von Duell-Parties (Beispiel) oder direkt aus dem Studio in Berlin Adlershof (Beispiel). Bereits den ganzen Tag über versuchten die Parteikampagnen über Facebook und Twitter ihre Anhänger zu mobilisieren, sich abends das TV-Duell anzusehen. Das CDU-Unterstützerteam „Team-Deutschland“ hatte beispielsweise schon in den Tagen vor dem Duell zur Eintragung von TV-Duell-Parties in eine bereitgestellte Googlemap gebeten.
Twitter gewann am Duell-Abend auch an Gewicht, weil viele MdBs die Chance nutzten über ihre Mobiltelefone kurze Statements abzugeben. Anders als es am Wahlabend der Fall sein wird, hatten diese nämlich Zeit zum twittern. So waren auch von Seiten der Bundestagsabgeordneten etlich amüsante Tweets zu lesen. Und auch die MdBs waren, was die Kritik an den Journalisten angeht, teilweise äußerst direk:
„#tvduell Bisher blöde Journalistenfragen“ (Ulrich Kelber).
Neben den CDU- und SPD-Abgeordneten war auch die Opposition äußerst aktiv: z.B. Steffi Lemke (Bündnis90/Die Grünen), die Fraktion der Linkspartei und Ulrike Flach (FDP).
Mashups und Kommentare
Doch noch weitaus interessanter als die Twitter-Promis stellten sich am Duellabend die Tweets eines bislang völlig unbekannten Twitterers dar, der bereits nach wenigen Minuten die ersten Mashups in Form von mit Gedankenblasen versehenen Screenshots bereitstellte. Dagegen sind YouTube-Mashups bislang immer noch nicht aufgetaucht. Lediglich einige Abgeordneten waren von ihren Mitarbeitern direkt nach der Sendung gefilmt und mit ihren Statements bei YouTube verewigt worden. Beispielsweise Matthias Groote von der SPD, der auch vor einer Handykamera nicht zurückschreckte. Die CDU wiederum versuchte ihre Antwort auf witzige Art zu gestalten, in dem sie das Duell von mit SPD-Promis namensverwandten CDU-Mitgliedern kommentieren lies: „Steinmeier zum TV-Duell: „Merkel war besser“.
Auch die Post-Debate fand vor allem bei Twitter statt. So folgten die ersten Kommentare aus den Parteizentralen ein weiteres Mal über Twitter:
„Souveräner Auftritt der Kanzlerin, klare Siegerin des #tvduell #cdu+ #ak“ (Team Deutschland)
„Die Stimmung bei der #spd+ : http://twitpic.com/hml7z Die Stimmung bei der #cdu- : http://twitpic.com/hml5w #tvduell“ (SPD)
Eins ist allemal deutlich: Zu früheren Zeiten gab es im wesentlichen zwei Möglichkeiten, um ein TV-Duell zu verfolgen. Zum Einen alleine zu Hause vor dem Fernseher oder zum Anderen mit einer Gruppe zusammen, beim public-viewing. Inzwischen werden beide Möglichkeiten immer weiter verschmischt. Durch Computer und internetfähige Mobiltelfone wurde es in diesem Jahr möglich, beide Möglichkeiten zu kombinieren und sogar zu erweitern. Vielen reicht es nicht mehr, nur das Duell zu verfolgen und ihre Meinung für sich zu behalten. Das hat vor allem die Vielzahl von inhaltsreichen Äußerungen bei Twitter gezeigt. Den TV-Sendern sei deshalb empfohlen für die Zunkunft auch einmal auf Formate wie „Hack the Debate“ zu schauen (siehe dazu auch: internetundpolitik.wordpress.com).
Die Zeiten des einsamen Duellabends sind also eindeutig vorbei.
Bilder: Screenshot twitpic, twitter, teamdeutschland
Das Netz gleicht eben das aus, was der politische Journalismus in Deutschland, wie auch die Spitzenpolitiker (siehe Duell) nicht mehr vermögen. Kontrovers und hintergründig zu sein. Man streichelt sich vor der Kamera und beisst sich im Netz.