von Achim Schaffrinna
Die Landtagswahl am 09. Mai 2010 in Nordrhein-Westfalen sorgt für großes Interesse seitens der Medien. Verliert die schwarz-gelbe Regierung unter Rüttgers in 4 Wochen ihre Mehrheit, wonach es derzeit laut Wahlforschungsinstitute aussieht, ändert sich auch das Mehrheitsverhältnis im Bundesrat. Die Bürger in NRW wählen also nicht nur ihre zukünftige Landesregierung, ihre Stimme wirkt sich auch direkt auf die Bundespolitik aus, was ja eigentlich die beste Voraussetzung für eine hohe Wahlbeteiligung sein sollte.
Aus diesem Grund habe ich mir einmal angeschaut, wie es um die Mobilisierung der Wähler mit Hilfe der jeweiligen Werbekampagne respektive der Wahlplakate bestellt ist.
CDU
„NRW muss stabil bleiben“, mit dieser Aussage geht die CDU in den Wahlkampf. Wenig stabil ist zumindest die Gestaltung der Wahlplakate, denn auffällig ist die Unterschiedlichkeit von Großplakat und Themenplakat schon. Während Ministerpräsident Rüttgers grobkörnig in schwarzweiß und durchaus fotografisch gekonnt in Szene gesetzt wird, sind die Themenplakate allesamt blau gehalten. Auch zwei unterschiedliche Absender zieren jeweils am unteren rechten Bildrand die Plakate. Man fragt sich, ob die Verantwortlichen tatsächlich aus Gründen der Gestaltung die NRW-Farben Grün-Weiß-Rot auf dem Großplakat gestrichen haben. Oder wollte man gar die Kosten für die dritte Farbe beim Druck einsparen? Kaum vorstellbar. Die Plakate sehen jedenfalls aus, als stammten sie von unterschiedlichen Agenturen. Wieso muss ich bei den blauen CDU-Plakaten eigentlich ständig an Wick denken? Seis drum.
Stabiler ist die Gestaltung in Bezug auf die Typographie, denn hier kommt die Hausschrift „Kievit“ zum Einsatz. Beständig ist die CDU auch in Bezug auf die verwendeten Schlagwörter. „Arbeit. Kinder. Sicherheit.“ Darauf ist Verlass.
SPD
Hannelore Kraft ist als Spitzenkandidatin im Einsatz für die SPD, drum sieht man sie auf Plakaten. Bemerkenswert ist bei der Kampagne der SPD der Umgang mit Farben. So bunt sah man die SPD wohl noch nie. Wenn die SPD so viele Stimmen erhalten würde, wie sie Farben in ihrer Kampagne verwendet, gewänne sie die absolute Mehrheit. Stimmenjagd mit dem Farbfächer. Wenns so einfach wäre. Die Wirksamkeit von Wahlplakaten ist kaum messbar. Weder lässt sich benennen, ob oder welchen Einfluss sie auf ein Wahlergebnis ausüben, noch lässt sich herausfinden, ob beispielsweise ein gut gestaltetes Plakat mehr Wähler zu mobilisieren im Stande vermag, als ein mieses Design.
Zumindest machen die SPD-Plakate die Straßenzüge bunter. Handwerklich kann man den Plakaten nichts ankreiden. Die Hausschrift Thesis macht in kurzen Sätzen ihren Job. War der SPD-Würfel zur Bundestagswahl rechts oben positioniert, sitzt er diesmal einheitlich auf der linken Seite. Ein Schelm, wer darin eine Koalitionsaussage zu erkennen glaubt.
Mit einem schräg gesetzten weißen “Störer“ wird (erstmals?) ein neues Gestaltungselement genutzt. Der jeweils erste Begriff einer Aussage wird mit Hilfe der weißen, schattierten Fläche besonders hervor gehoben. Auf einem der Plakate heißt es: „Sicherheit Für ein NRW ohne Atomkraft“. Wohl ein Flüchtigkeitsfehler, denn ansonsten werden alle anderen Sätze klein weiter geschrieben. Gewagt bunt. Wer gestalterische Vielfalt sucht, kommt in NRW mit der SPD auf seine Kosten.
Wer will, kann der SPD ein Wahlplakat spenden.
Die Grünen
Vergleichende Werbung in der Politik ist zumindest unterhaltsam. Zuletzt sorgte die SPD mit ihren Motiven zur Europawahl für Aufregung, mit denen man den politischen Gegner anging. Weniger der brillante Illustrationsstil war es, der bei vielen Menschen für Verstimmung sorgte, sondern vielmehr der politische Stil. Das Unterstellen der Fehler Anderer ist einfach weniger elegant, als die Hervorhebung eigener Stärken. Nun schlagen die Grünen in NRW in die gleiche Kerbe. Einige der Themenmotive sind als Vorwurf an die amtierende Landesregierung konzipiert. Mit einer Aussage wie: „A, B, CDU UND RAUS BIST DU“, gesetzt in Versalien und in der Hausschrift „Benton Sans Condensed“, übt man sich in Zynismus, wohl mit einem Augenzwinkern.
“MACHT MEHR MÖGLICH” ist das Motto der Kampagne, in der Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann ohne eigenes Motiv auskommen muss. Anders als die Plakate zur Bundestagswahl mit ihrem Airbrush-Look, erscheinen die NRW-Motive “cleaner”; zwar nicht langweilig aber doch gewöhnlicher. Die dargestellte Form der Verquickung der Themen “Arbeit” und “Natur”, erscheint mir ein cleverer Zug zu sein. Was sich bei einem Firmenlogo fast schon verbietet – gemeint ist das Ersetzen eines Buchstabens, in diesem Beispiel ein “A”, durch eine Bildmarke –, ist in diesem Fall eine „gute Gestaltung“, weil es nämlich zwei komplexe Themen leicht verständlich und vor allem schnell zu einem Lösungsansatz verdichtet. Gerade Wahlplakat müssen bedarfsgerecht aufbereitet sein, sprich die Botschaft muss in 3 Sekunden ihren Rezipienten gefunden haben. Darüber hinaus sind die Plakate der Grünen handwerklich solide.
Auch bei den Grünen kann man “Mein Plakat” erstellen, ein Trend mit dem man offensichtlich den Plakatmixern, die zugegebenermaßen eher die Konservativen auf dem Kieker haben, den Wind aus dem Segel nehmen möchte.
FDP
Aufstieg im Aufsteigerland NRW. Geht es nur mir so? Die Verwendung des Begriffs „Aufstieg“ klingt in meinen Ohren wie ein Bekenntnis zur Bewahrung einer Klassengesellschaft. Dort wo jemand aufsteigt, muss irgend wer anders ab- oder aussteigen. Das ist im Beruf so und auch in der Fußball Bundesliga sorgt dieses Prinzip für Bewegung. Wäre ja noch schöner, wenn alle oben mitspielen könnten. Sicherlich bleibe ich an diesem Begriff auch deshalb kleben, weil die Gestaltung recht wenig Angriffsfläche bietet. Zwischen der typisch liberalen gestalterischen Schonkost fällt lediglich eine diffuse Form im Absender auf. Der Umriss von Nordrhein-Westfalen macht stilistisch auf Expo-2000-Logo. Ansonsten gibt es mit blauer Schrift auf gelber Fläche keine Überraschungen. Die FDP steht für Kontinuität, denn die Gestaltung ist kontinuierlich langweilig.
Fazit
Design spielt in Bezug auf den Wahlausgang keine Rolle. Anders ist der Erfolg der FDP bei der Bundestagswahl 2009 nicht zu erklären, waren die Plakate der Liberalen doch durchweg miserabel. Auch wenn kein Wahlplakat es jemals zu einem Effi bringen wird, ist es immer wieder spannend, sich mit den unterschiedlichen Wahlplakaten und ihrer Gestaltung zu beschäftigen, da sie als Zeitzeugnis die Befindlichkeiten der Gesellschaften dokumentieren.
Aufsehenerregend ist keine der hier vorgestellten Kampagnen. Die poppigsten Motive steuern diesmal nicht die Grünen, sondern die SPD bei. Die Gestaltung bei der CDU wirkt eher „unstabil“ und seltsam zweigleisig. Bin mal gespannt, ob die Seitenhiebe der Grünen auf die Landesregierung von den Bürgern als charmant oder doch eher unverschämt eingestuft werden. Und natürlich werde ich die Wahl in meiner alten Heimat aufmerksam verfolgen.
Die Plakate der PDS hätte ich auch gerne vorgestellt, wenn denn die Kampagnenmotive auf der Website der NRW-Die Linke eingestellt gewesen wären oder deren Presseabteilung geantwortet hätte.
Dieser Beitrag erschien zuerst im Designtagebuch, wo sich auch Detailgalerien der Motive finden lassen. Wir veröffentlichen ihn mit freundlicher Genehmigung des Autors.
Ich habe zwei Anmerkungen.
1. Zu den Grünen Plakaten (als Grüner Mitarbeiter aus der Geschäftsstelle):
Es gibt lediglich ein Negativ-Plakat – das angesprochene zur CDU-Schulpolitik. Das FDP-Motiv ist ausschließlich als Postkarte verfügbar. Ein Kopfplakat von Sylvia ist im Format der Themenplakate auch verfügbar, zugegeben aber im Netz kaum verlinkt.
„Mein Plakat“ ist dann auch kein Remix-Tool, sondern eines um Großflächen zu spenden.
Die Motive dazu und auch alle anderen sind hier abrufbar: http://www.gruene-nrw.de/aktuell/landtagswahl-2010/plakate.html
2. „Design spielt in Bezug auf den Wahlausgang keine Rolle“
Ich verstehe was Du meinst und stimme Dir im Grunde zu. Es ist für eine Partei wichtig, dass sie im Straßenbild präsent ist. Was im einzelnen auf den Plakaten steht, halte ich für vernachlässigbar – aber die Partei muss eindeutig identifizierbar sein. Deshalb funktionieren die Plakate der FDP und der Grünen: Auf den ersten Blick sieht man, welche Partei wirbt. Auch beim schnellen Vorbeifahren. Bei der Europawahl haben sowohl Linke, SPD als auch CDU in Rot geworben – eindeutig identifizierbar war da nichts. Deshalb spielt Design natürlich eine Rolle, aber Plakate werden m.E. einfach überschätzt ;)
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