Bernd Lucke tritt aus der AfD aus, der Partei, die er mit gegründet hat und für die er im Europaparlament sitzt, die er seit Jahren entscheidend geprägt hat. Die tagesschau hat auf Facebook das Statement als Video veröffentlicht: Link.
Ohne näher auf meine Ansichten zur AfD einzugehen, lohnen sich dennoch einige tiefere Betrachtungen:
- Im Vergleich zur letzten Parteineugründung in Deutschland, der Piratenpartei, konnte die AfD einen deutlich breiteren Teil der Bevölkerung hinter sich vereinen. Das mag zu einem großen Teil an der thematischen Ausrichtung liegen, aber auch die Währungspolitik ist kein besonders massentaugliches Politikfeld, vielleicht nicht mehr als die Digitalpolitik. Dennoch taugte die AfD deutlich mehr als Identifikationsangebot, weil sie schon durch ihre Positionierung als „Alternative“ für „Deutschland“, also Abgrenzung von dem bestehenden Parteipolitischen Angebot und mit bewusster Orientierung auf nationale Interessen, programmatisch einen Projektionsraum für nicht unwesentlich in der Bevölkerung verankerte Ansichten bot.
- Ebenfalls gemein mit der Piratenpartei hatte die AfD einen jedenfalls medial vermittelt kometenhaften Aufstieg. Nicht nur die Bürger sehnen sich offenbar nach neuen Angeboten, auch die Medien stürzen sich auf alles neue. Auch die strukturelle Verteilung der errungenen Wahlerfolge ähnelt bei der AfD durchaus den Piraten. Eine bundespolitische Relevanz jedoch haben beide nicht erlangt. Denn:
- Den Weg zu einem Wahlerfolg bei einer Bundestagswahl hat in beiden Fallen die Partei sich nicht selbst verbaut, sondern eine unglückliche Positionierung der Wahltermine. Wäre die Bundestagswahl 2013 nur ein Jahr später erfolgt, wäre die AfD sicher im Bundestag vertreten. Auch die Piratenpartei hat ihren Wahlerfolg gewissermaßen überlebt. Das hat vor allem einen Grund:
- Es scheint zu der Neugründung von Parteien dazu zu gehören, dass sie ein Sammelbecken für politisch enttäuschte, für Querdenker und Infragesteller bilden. Mischt man dazu in den beiden Fällen Piratenpartei und AfD die entsprechenden Bezugsrahmen, also eine linksalternative Digitalpolitik auf der einen Seite und eine fiskalradikale deutschnationale Politik auf der anderen Seite, besteht besonders für neu gegründete Parteien das Gefahr der zahlenmäßigen Unterwanderung aus den entsprechenden extremen Milieus. Die neuen Parteien besitzen naturgemäß noch nicht die strukturelle Festigkeit und auch quantitative Stabilität von Mitgliedern, die sich im engeren Rahmen der Gründungsüberlegungen bewegen, um nicht innerhalb von wenigen Monaten durch Neumitgliedschaften inhaltlich oder wesentlich völlig verändert zu werden.
- Auch wenn man in Deutschland froh sein kann, dass unsere politisch extremste Parteienentwicklung der letzten Jahre die AfD war, ist es doch nicht ohne Genugtuung, dass ich hier – möglicherweise verfrüht, das Präteritum benutze.