CSU (sic!) will Online-Wahlen

Diese Meldung braucht keine großen Worte, sie liefert sie schon selbst. Markus Söder, CSU-Finanzminister in Bayern, möchte Online-Wahlen. Als digitale Briefwahlen ausgelegt sollte mit ähnlichen Sicherheitsmechanismen wie beim Online-Banking jeder Bürger, jede Bürgerin von zu Haus aus Wählen können. Es wäre ein Treppenwitz des Wahlrechts, wenn die auch hier mit einigen Bedenken betrachteten Briefwahlen ausgerechnet über das Internet neu legitimiert würden. Söder wörtlich im Interview bei welt.de:

Söder: Wenn Online-Banking möglich ist, kann auch Online-Voting machbar sein, das heißt die elektronische Briefwahl. Neben der Stimmabgabe in der Wahlkabine oder der klassischen Briefwahl kann es auch möglich sein, seine Stimme in Form einer elektronischen Briefwahl abzugeben. Eine Vision ist, dass dies 2018 schon möglich ist. Dazu muss allerdings aus Sicherheitsgründen die Signaturen-Gesetzgebung noch vorangebracht werden. Eine erste Möglichkeit für eine solche elektronische Briefwahl könnte das neue Instrument der Volksbefragung sein. Eine Online-Volksbefragung wäre ein hervorragender Testlauf für eine elektronische Wahl.

Wahlprogramme in der Computer-Simulation

Welche politische Partei hat wohl ein Wahlprogramm, dass SimCity zum Florieren bringen würde? Das kann man bald heraus finden, denn EA lässt verlauten:

Unter dem Motto „Macht der Spiele: Der SimCity Wahlkampfcheck“, lassen wir die Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär (CSU), Lars Klingbeil (SPD) und Jimmy Schulz (FDP) vier Wochen unsere Städtebausimulation SimCity spielen. Als Leitfaden für ihre Entscheidungen im Spiel sollen die Wahlprogramme ihrer jeweiligen Partei für den Bundestagswahlkampf 2013 genutzt werden. Als virtuelle Bürgermeister fällen sie dabei Entscheidungen über diverse Bereiche der Politik – vom Verkehrswesen über die Energieversorgung bis hin zum Steuersystem.

Bewegung ohne Ziel

Wie viel Netzt steckt im Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg? Fast noch interessanter als diese Frage erscheint, was danach passiert. Kurz nachdem der beliebteste, jungdynamische und kopieraffine Politiker zurück getreten ist und damit die Hoffnungen vieler konservativer und nicht so konservativer Bürger enttäuscht hat, entsteht im Netz eine Dynamik, die man so bisher noch nicht gekannt hat. Nicht einmal 24 Stunden nach dem Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg hat eine Gruppe mit dem ebenso wenig kreativen wie zielführenden Titel „Wir wollen Guttenberg zurück“ mehr als 300.000 Befürworter gesammelt. Und während man noch bei der ersten „ProGuttenberg„-Gruppe Vermutungen anstellen konnte, es handle sich hier um eine gekaufte „Anschubsfinanzierung“, kann man diese Unterstellungen hier fast ausschließen. Zu gering ist die Wahrscheinlichkeit, etwas derartig schnell zu organisieren und zu finanzieren. Das Netz bewegt sich schneller.

Warum aber ist das interessant? Weil die größte, je im deutschsprachigen Internet stattgefundene, digitale soziale Bewegung gerade vor aller Augen entsteht. Und weil sie keinen Sinn hat. Während die Studentenproteste 2009 als klare Solidaritätserklärung an Studierende im ganzen Land gesandt wurden, die sich für bessere Studienbedingungen einsetzten, ist die Forderung dieser mehr als 300.000 so schlicht wie unmöglich: Wir wollen Guttenberg zurück. Am liebsten sofort. Ab morgen um 8 Uhr wieder im Bendlerblock?

Niemand weiß, ob Guttenberg noch einmal wiederkommt – viele Zeichen sprechen dafür. Wenn er nicht in der Privatwirtschaft mit mehreren Hunderttausenden geködert und mit einem großen Eckbüro verwöhnt wird? Wer weiß, vielleicht hat er ja 2019 sein eigenes Kabinett? Aber selbst wenn aus den 300.000 noch 500.000 werden: Kurzfristig werden sie nichts bewegen können. Ist die Bewegung vielleicht gerade deshalb so erfolgreich, weil sie keine Aktion erfordert. Vielleicht ist sie die digitale Repräsentation der vorm Haus wehenden Flaggen des Lieblings-Vereins. Flagge zeigen, ohne aktiv werden zu müssen. Ist das das Erfolgrezept für digitale Bewegungen?

Eltern haften für ihre Kinder

Joachim Herrmann ist ein harter Hund. Der bayrische Innenminister schränkte das Versammlungsrecht ein, um „rechts- oder linksradikale Chaoten“ einzubremsen und würde ab und zu ganz gerne die Killerspiele verbieten, die so gefährlich wie Drogen oder Kinderpornografie seien. Jetzt hat Joachim Herrmann aber selbst einen harten Hund zu Hause, oder sollte man eher sagen einen „tough dog“? Ein Gangsterrapper haust im Ministerheim in Erlangen. Die mittelfränkische Provinz wird zu Compton, die Villenviertel von Erlangen zur Bronx.

Jedenfalls dann, wenn „Jackpot“ alias Jakob Herrmann als Gangster-Rapper durch die Straßen zieht. Die Münchner Abendzeitung hat ihn enttarnt, den „Porno-Rapper“ – und weitere Zeitungen folgen.


Nicht ganz unverständlich, dass die Presse eine solche Geschichte aufgreift. Wenn der Sprößling einer Grünen oder eines Linken Gleise blockiert, als Penner vorm Bahnhof hängt oder gar die Schule abbricht – die Elternschaft hat’s ja prophezeit. Aber ein Sohn aus gutbürgerlichem Hause, der aus der Linie ausschert, das ist ja wirklich eine gute Story.  Und so schreibt die Abendzeitung:

Macht in seinen Videos einen auf dicke Hose: Gymnasiast Jakob Herrmann wird den moralischen Ansprüchen seines Vaters Joachim wohl eher nicht gerecht.

Man kann die Sprache des deutschen Gangster-Raps so abstoßend finden, wie man möchte – vielleicht ist das nicht mal schwierig, wenn der 19-Jährige Musterknabe rappt, dass jede Frau sich bückt und er das Game ficken wird – dennoch ist es legitime Ausdrucksform jugendlicher Musikrebellion, die schon seit langem die Ghettos von Berlin-Schönefeld oder Hamburg St. Pauli verlassen hat.

Die Lektion, die diese kleine Episode lehrt, ist dagegen scheinbar nicht so offensichtlich: So selbstverständlich, wie Jugendliche heute vor allem online selbst verwirklichen, so selbsterklärend ist es auch, dass die Psyche eines 19-Jährigen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von Abgrenzung gegenüber dem Elternhaus geprägt sein wird. Und je mehr das Leben der Jugendlichen im Internet stattfindet, desto mehr Material für Journalisten wird sich finden. Von 173 Fotos der letzten durchsoffenen Nacht über den unschönen Trennungskrieg auf Facebook-Pinnwänden bis eben hin zu den musikalischen Eigenproduktionen – Personen des öffentlichen Lebens werden sich damit abfinden müssen, dass die Rebellion der Teenager nicht mehr hinter verschlossenen Türen stattfindet und Eltern trotzdem nicht immer für ihre Kinder haften. Und vielleicht werden ja mit der Zeit auch nicht mehr einfach die Videos aus dem Netz gelöscht, wenn die Story losbricht. Denn für einen 19-Jährigen Gangsta aus Erlangen hat der junge Herr Herrmann mächtig Talent.

Video nach dem Klick.