Wie viel Netzt steckt im Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg? Fast noch interessanter als diese Frage erscheint, was danach passiert. Kurz nachdem der beliebteste, jungdynamische und kopieraffine Politiker zurück getreten ist und damit die Hoffnungen vieler konservativer und nicht so konservativer Bürger enttäuscht hat, entsteht im Netz eine Dynamik, die man so bisher noch nicht gekannt hat. Nicht einmal 24 Stunden nach dem Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg hat eine Gruppe mit dem ebenso wenig kreativen wie zielführenden Titel „Wir wollen Guttenberg zurück“ mehr als 300.000 Befürworter gesammelt. Und während man noch bei der ersten „ProGuttenberg„-Gruppe Vermutungen anstellen konnte, es handle sich hier um eine gekaufte „Anschubsfinanzierung“, kann man diese Unterstellungen hier fast ausschließen. Zu gering ist die Wahrscheinlichkeit, etwas derartig schnell zu organisieren und zu finanzieren. Das Netz bewegt sich schneller.
Warum aber ist das interessant? Weil die größte, je im deutschsprachigen Internet stattgefundene, digitale soziale Bewegung gerade vor aller Augen entsteht. Und weil sie keinen Sinn hat. Während die Studentenproteste 2009 als klare Solidaritätserklärung an Studierende im ganzen Land gesandt wurden, die sich für bessere Studienbedingungen einsetzten, ist die Forderung dieser mehr als 300.000 so schlicht wie unmöglich: Wir wollen Guttenberg zurück. Am liebsten sofort. Ab morgen um 8 Uhr wieder im Bendlerblock?
Niemand weiß, ob Guttenberg noch einmal wiederkommt – viele Zeichen sprechen dafür. Wenn er nicht in der Privatwirtschaft mit mehreren Hunderttausenden geködert und mit einem großen Eckbüro verwöhnt wird? Wer weiß, vielleicht hat er ja 2019 sein eigenes Kabinett? Aber selbst wenn aus den 300.000 noch 500.000 werden: Kurzfristig werden sie nichts bewegen können. Ist die Bewegung vielleicht gerade deshalb so erfolgreich, weil sie keine Aktion erfordert. Vielleicht ist sie die digitale Repräsentation der vorm Haus wehenden Flaggen des Lieblings-Vereins. Flagge zeigen, ohne aktiv werden zu müssen. Ist das das Erfolgrezept für digitale Bewegungen?