Zwei Wochen nach der Hessenwahl

Die Wahllokale sind schon eine Weile geschlossen und die vor Kraft strotzende FDP hat der CDU immerhin 3 ganze Ministerien abgerungen. Die Amtsträger aller Parteien waren nach den Wahlen vollauf beschäftigt. Die Einen mussten in wohl eher freundschaftlichen Verhandlungen einen Koalitionsvertrag vereinbaren, die Anderen ihre mehr oder minder großen Wahlerfolge verarbeiten. Bleibt da noch Zeit für das Stiefkind Internet? Was ist nach dem ersten Onlinewahlkampf 2009 noch zu sehen, wer nutzt die neuen Möglichkeiten auch über den Wahlkampf hinaus?

Am Wahlabend selbst machte sich für Netzaffine Wähler der erste Unmut breit angesichts der offensichtlichen Prioritätenverschiebung unter Zeitdruck: Keinerlei Stellungnahmen oder Jubeleien auf den offiziellen Internetauftritten der Parteien. Man war wohl noch zu beschäftigt, je nach Ergebnis betreten oder euphorisch in die Kameras der übermächtigen alten Medienlandschaft zu schauen.

Eine Haltung, die offensichtlich nicht mal nur mit dem Zeitdruck, sondern mit einer binären Notwendigkeitsdefinition zusammen hängt. Entweder es ist Wahlkampf, dann tun wir aber bitteschön mal was im Internet. Muss man ja auch mittlerweile, das allgegenwärtige Mantra des Barack Obama verpflichtet geradezu. Und dann gibt es da die Zeit nach der Wahl, in der man sich offensichtlich eher über das errungene Landtagsmandat und die möglicherweise im Vergleich zu vorherigen Bezügen üppigen Saläre Gedanken macht. Bestes Beispiel sind mal wieder die im hessischen Internetwahlkampf 2009 eher glücklos agierenden Grünen, auf deren eigens geschalteter Programmseite „Jetzt aber Grün“ noch immer zur Wahl aufgerufen und mit Pressemitteilungen vom 17. Januar informiert wird.

bildschirmfoto-2009-01-31-23-14-47Scheinbar glaubt man den Wahlkampfauftritt im Internet schon vergessen zu haben, sobald man die Umleitung der Domain www.gruene-hessen.de auf diese wieder gelöscht hatte. Immerhin, auf der offiziellen Seite bedanken sich die Grünen bei den Wählerinnen und Wählern und geloben einen konsequenten Einsatz für grüne Inhalte.

bildschirmfoto-2009-01-31-23-37-29Dabei macht die grüne Spitzenkandidatin Kordula Schulz-Asche mit ihrem engagiert genutzten Twitter-Account vor, dass auch Grüne in Hessen verstehen können, wie das Internet auch nach der Wahl genutzt werden kann. Nach leichten Anlaufschwierigkeiten kommuniziert sie mittlerweile – in über 100 Tweets allein nach der Wahl – wie losgelöst mit den verschiedensten Lesern. Auch wenn ihr spät im Wahlkampf dazu gekommenes Blog dem noch etwas hinterher hinkt (letzte Aktualisierung am 20. Januar), so viel Kontinuität über Wahlkampfzeiten hinaus macht Hoffnung auf mehr.

Von Twittergates und Koalitionsvereinbarungen

Auch der prominenteste Hessenpolitik-Twitterer Thorsten Schäfer-Gümbel ist nach der Wahl aktiv, kommt aber weder bei Authentizität noch bei der Nachrichtenzahl an die grüne Schulz-Asche heran. In den letzten Tagen leistete er sich gar einen kleinen Faux-pas, der Diskussionen über die Beteiligung der Online-Agentur aufkommen lies. Ob man nun der hastigen Richtigstellung und den Besserungsgelobnissen für klarere Kennzeichnung folgt oder nicht, es zeigt sich mal wieder, wie empfindlich die Web- und vor allem Twittergemeinde bei der Glaubwürdigkeit von Netzpolitikern ist. Dieses ‚Twittergate‘ wird wohl auch ein Gesprächsthema bei der Essenseinladung sein, die TSG als etwas konstruiert wirkende Marketingaktion seinem 2014. Follower versprach. Die glückliche Gewinnerin Birgit Hoff wird als EmmaPeel_ hoffentlich von dem Treffen berichten.

bildschirmfoto-2009-02-01-00-21-49Ein Glaubwürdigkeitsproblem wie das des Schäfer-Gümbel kam bei den CDU-Twitterern gar nicht erst auf, da man den Internetwahlkampf in der Landesgeschäftsstelle gleich komplett an das jungdynamische webcamp09 auslagerte. Vermuten könnte man nun, dass die Jugendlichen auch nach der Wahl noch genügend Zeit haben, eine wie auch immer geartete Nachberichterstattung zu liefern. Diese Erwartung wird allerdings nur in Ansätzen erfüllt, was wohl auch an der eben nicht mehr ganz so großen Zahl von Beteiligten liegen mag. Die Restbelegschaft des webcamp hat sich nach eigenen Aussagen dann doch lieber zum Feiern frei genommen, das scheinbar einige Tage Nachwirkungen aufzuweisen hatte. Zur Koalitionsvereinbarung ist das webcamp09 nun aber wieder da und man darf gespannt sein, wie die Mannschaft den Schritt vom Wahlkampfvehikel zum Organ der Regierungsfraktion meistert.

Hoffnung auf mehr

So dürftig das politische Engagement im Internet nach der Wahl auch aussehen mag, gemessen an der Ausgangslage ist es in jedem Fall erfreulich. Dass Kordula Schulz-Asche und Thorsten Schäfer-Gümbel weiter twittern, war möglicherweise zu erwarten – aber keineswegs als sicher zu betrachten. Wie der gesamte vergangene Internetwahlkampf in Hessen ist auch die post-campaigning Nutzung des Webs durch die bekannten Akteure nur ein Anfang, zeigt aber auch die ein oder andere erfreuliche Überraschung. Vielleicht wird ja das webcamp09 nach seiner nun anstehenden Rollenfindung eine solche werden.