Als im Februar in Hamburg die neue Bürgerschaft gewählt wurde, sank die Wahlbeteiligung einmal mehr – um 6 Punkte auf 56 Prozent. Nicht wenige schrieben das dem Hamburger Wahlrecht zu, dass nicht gerade zu den trivialsten im Lande gehört. Aber haben die Hamburger das Wahlsystem wirklich nicht verstanden? Immerhin gab es nur 3% ungültige Stimmen. Die Uni Hamburg hat jetzt in einer Studie genauere Erhebungen durchgeführt:
Die meisten Hamburgerinnen und Hamburger kennen sich mit dem neuen Wahlrecht gut aus. Beim Bekanntheitsgrad der Wahlkreiskandidatinnen und -kandidaten gibt es jedoch noch großen Nachholbedarf. Nur ein knappes Fünftel kennt zehn oder mehr der Kandidatinnen und Kandidaten in seinem Wahlkreis.
Und auch wenn die Entwicklung nicht positiv verlaufen ist, hält man in der Studie fest:
Die Wahlbeteiligung ist bei der Bürgerschaftswahl 2011 auf den historischen Tiefstwert von 57,3% gesunken. Der Anteil der ungültigen Stimmen auf der Landesliste hat sich im Vergleich zur Wahl 2008 verdreifacht. Nahezu alle Wähler/-innen haben jedoch das Stimmpotenzial von jeweils fünf Stimmen auf der Landes- und der Wahlkreisliste genutzt.
Die Wählerinnen und Wähler wissen dabei zumindest grundlegend recht gut Bescheid über ihr Wahlrecht:
Bei der Wählerbefragung (N = 3104 – insgesamt 3104 Befragungen) konnte ein Basiswissen zum Wahlrecht festgestellt werden. So hat der im Fragebogen integrierte Wissenstest ergeben, dass fast alle Wähler/-innen (jeweils um die 95%) mit der Anzahl der zu vergebenden Stimmen und der grundsätzlichen Möglichkeit des Kumulierens und Panaschierens vertraut sind. Die komplexeren Fragen zum Wahlrecht konnten nur von wesentlich weniger Wähler/innen richtig beantwortet werden.
Das eigentlich überraschende Ergebnis der Studie ist aber nicht, wie gut die Wähler in Hamburg mit ihrem Wahlrecht vertraut sind, sondern wie wenig sie ihre eigenen Kandidaten kennen – nicht gerade ein kleines Problem, wenn man beim Wählen so hohen Einfluss auf deren Wahlergebnisse hat:
Während den Wähler/-innen das Wahlrecht weitgehend bekannt ist, kennen sie ihre Kandidaten/-innen kaum. Über ein Viertel der befragten Wähler/-innen kennt keine/n einzige/n Wahlkreiskandidaten/-in. Einem weiteren Viertel sind nur 1, 2 oder 3 Kandidaten/-innen namentlich bekannt. Nur ein knappes Fünftel gibt an, zehn oder mehr Wahlkreiskandidaten/-innen zu kennen.
Interessant auch der Vergleich mit der hessischen Kommunalwahl nur wenig später. Auch hier gibt es ein Wahlrecht mit großen Einflussmöglichkeiten auf die personelle Zusammensetzung der Parlamente, auch hier werden immer wieder die Rufe laut, sinkende Wahlbeteiligungen lägen am komplizierten Wahlsystem. Dabei ist die Stimmabgabe in Hessen sogar noch übersichtlicher als in Hamburg. An all dem ist ja sicher einiges dran, das Wahlsystem müsste wesentlich besser erklärt werden. Aber warum stellt man sich nicht auch in Hessen leise die Frage: Wie soll ich eigentlich meine Vertreter im Parlament mitbestimmen, wenn ich sie gar nicht kenne?
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