In drei Bundesländern wird am 30. August gewählt und überall dürfte es spannend werden. Ein Grund sich die Online Aktivitäten der Parteien mal anzusehen. Sylvia Braun hat bereits im April die Internetseiten der Spitzenkandidaten angesehen und kürzlich auch die Seiten der fünf im Bundestag vertretenen Parteien bezüglich ihrer Onlinekampagnen unter die Lupe genommen. Für Homopoliticus hat sie die Ergebnisse zusammengefasst und ein Fazit gezogen.
Saarland:
Die CDU setzt hier ganz auf den Landesvater Peter Müller, dessen persönliche Seite als Wahlkampfplattform genutzt wird. Peter Müller ist selbst nicht in den sozialen Netzwerken zu finden, hinterlässt jedoch mit seinem Peter-Müller-Team einen durchaus dynamischen Eindruck. Dadurch bleibt er selbst im Netz zwar etwas unpersönlich, was er aber wohl im „richtigen Leben“ gut ausgleichen kann.
Die SPD hat eine ganz auf Wahlkampf ausgerichtete Seite und verkauft ihren etwas spröden Kandidaten Heiko Maas recht geschickt als James Bond Verschnitt. Dieser setzt durch sein Engagement bei Twitter, Social Networks und einem Blog persönlich eine ganz besondere Note und lässt damit das Unnahbare fast in Vergessenheit geraten.
Die FDP startet mit Art Memory-Seite mit (wie ich finde peinlichen) Testimonials, einigen Inhalten und Verlinkungen zum Wahlkampf. Meiner Meinung nach ist die Bedienung der Seite nur etwas für fortgeschrittene Nutzer. Auf der Seite der Partei im klassischen Desgin wird der Wahlkampf fast ausblendet. Zwar ist ihr Spitzenkandidat Christoph Hartmann aktiv bei Facebook und Twitter, auf den Internetseiten bekommt dies aber keinen gebührenden Platz (nicht mal der Spitzenkandidat ist verlinkt) und so wird viel Aktivität hier einfach verpuffen, weil der Multiplikator fehlt.
Die Grünen haben eine veraltetet Präsenz, verweisen aber gleich auf ihre Wahlkampfseite. Diese ist viel besser, aber auch keinen großer Wurf, alles wirkt etwas verkrampft und zu sehr gewollt. Aber man hat sich an dem Auftritt der Bundespartei orientiert, wo die Einbindung von interaktiven Elementen Standard ist.
Die Linke hat mit Oskar Lafontaine lange für eine eigene Internetpräsenz für ihren Spitzenkandidaten gebraucht, diese auch noch mindestens einmal komplett umkonzipiert. Er hat auch erst sehr spät Verlinkungen zu sozialen Netzwerken eingebunden.
Links:
Artikel über die Spitzenkandidaten (April 09)
Artikel über die Parteiseiten (August 09)
Sachsen:
Als ich mir im April die sächsischen Seiten zum ersten Mal angesehen habe, was das einfach nur gruselig oder nicht vorhanden. Hier hat sich tatsächlich viel getan. Die CDU setzt auch voll auf Wahlkampf und hat das interessantes Konzept einer Wahlstraße umgesetzt, wo man in einer umlaufenden Grafik themenbezogene Grafiken für mehr Informmationen auswählen kann. Gut gemacht, aber sicher auch etwas für den fortgschrittenen Nutzer mit guter Technik. Der Spitzenkandidaten Stansilaw Tillich wird als „Der Sachse“ (ist er nicht Sorbe???) mit einem eigenen Portal in Szene gesetzt. Außerdem gibt es ein Wahlkampfteam „Sachsenstark„, da sich hier wie im Saarland der Spitzenkandidat nicht persönlich ins Zeug wirft (was natürlich auch, wie bei Peter Müller, mit der aktuellen Funktion als MP zu tun haben dürfte). Alles in allem ein rundum verbessertes Angebot mit ein paar handwerklichen Fehlern und fehlender Transparenz an manchen Stellen.
Die SPD hat es in Sachsen natürlich schwer, entsprechend sparsam ist auch der Online Wahlkampf ausgefallen. Man baut auf vorgegebene Strukturen und kann wenig Akzente setzten. Zwar twittert der Spitzenkandidat Thomas Jurk, reißt aber damit nicht wirklich mit. Und die Unterstützerliste ist auch ganz schön traurig.
Die FDP in Sachsen hat eine übersichtliche Seite mit der klassischen Einbindung von sozialen Netzwerken, an manchen Stellen jedoch etwas unglücklich verlinkt. Ebenso unglücklich wird die Domain des Spitzenkandidaten Holger Zastrow auf die Startseite der FDP Sachsen Seite weitergeleitet, wo sich doch als Weiterleitungsziel die Rubrik des Kandidaten angeboten hätte.
Die Grünen haben auf ihrer auffällig verlinkten Wahlkampfseite ein paar wirklich witzige und interessante Aktionen zum Mitmachen (Fotoaktion) und sind gewohnt netzwerklastig verlinkt. Auch deren Spitzenkandidatin Antje Hermenau hat ihre Seite in dieser Hinsicht gut gestaltet.
Die Linke hat einen Twitterfeed (allerdings ganz weit unten) eingebunden, womit sich dann aber auch schon die Interaktivität erschöpft. Der Spitzenkandidat Andre Hahn ist prominent verlinkt und bloggt fleißig, lässt aber keine Kommentare zu seinen Erlebnissen und Standpunkten zu.
Links:
Artikel über die Spitzenkandidaten (April 09)
Artikel über die Parteiseiten (August 09)
Thüringen:
Der etwas umstrittene Landesvater Dieter Althaus hatte schon im April seine Seite im alten „Obama-Design“ online, am Konzept der Seite hat sich in den letzten Monaten auch nicht viel geändert. Er bloggt zwar hin und wieder, doch auch hier: keine Kommentarfunktion. Die CDU Thüringen setzt bei Interaktivität ganz auf ihre Team Thüringen. Dieses Team ist leider eine geschlossene Veranstaltung, ohne Anmeldung geht hier fast nichts – und das geht gar nicht!
Die SPD hat genauso wie ihr Spitzenkandidat Christoph Matschie eine solide, modernen Seite im Netz, mit den klassischen Verlinkungen zu den sozialen Netzwerken und einer nett gemachten Twitterfeed-Einbindung als Sprechblase bei Matschie.
Die FDP macht auf den ersten Blick einen guten Eindruck, bei näherem Hinsehen wirkt dann doch alles etwas unstrukturiert und mehr auf den Bundestagswahlkampf konzentriert. Der Spitzenkandidat Uwe Barth hat dann auch eine ganz einfache Seite, die zu der anderen nicht recht passen will und soziale Netzwerke ganz außen vor lässt.
Die Grünen haben mit ihrem Slogan „Alt raus – Grün rein“ gleich einen genialen Eyecatcher, der Rest ist dann aber doch etwas unglücklich geraten mit unscheinbaren Twitterfeeds und Verlinkungen zu Facebook. Der Twitterlink ist bei der Spitzenkandidatin Astrid Rothe-Beinlich schon auffälliger gelungen, damit hat sich die Interaktivität dann aber auch schon erschöpft.
Die Linke setzt im Wahlkampf ganz auf ihren Spitzenkandidaten Bodo Ramelow. Dieser hat seine Seite in dieser Form offensichtlich nicht erst kurzfristig zu Wahlkampfzwecken und ist überall vernetzt, wobei das besser verlinkt sein könnte. Sein Blog wird gut gefüttert und er lässt tatsächlich Kommentare zu und antwortet auch darauf.
Links:
Artikel über die Spitzenkandidaten (April 09)
Artikel über die Parteiseiten (August 09)
Mein Fazit…
…für alle Bundesländer (und vermutlich nicht nur für diese):
Online-Wahlkampf bedeutet nicht die Anzahl der Unterstützer in den verschiedenen Netzwerken zu zählen. Es ist der Wille zur Kommunikation mit dem Wähler. Die Netzwerke können das nur erleichtern. Noch ist der Online-Wahlkampf über den Schwerpunkt des eingleisigen Informierens nicht wirklich hinaus gekommen. Eine Kommunikation findet in den seltensten Fällen statt, aus Angst vor Kontrollverlust lässt man zum Beispiel die Kommentarfunktion in einem Blog dann doch lieber deaktiviert. Wie man allerdings auch am Beispiel des Blogs von Bodo Ramelow an den doch recht dünn gesäten Kommentaren sehen kann, ist der Bedarf beim Wähler zur Kommunikation und der damit verbundenen öffentlichen Stellungnahme auch nicht besonders groß.
Erschwerend kommt hier noch hinzu, dass es sich gerade bei diesen drei Bundesländern um Länder handelt, die in der Nonliner-Studie in fast allen Bereichen auf den hinteren Plätzen rangieren, d.h. gerade hier die Nutzerzahlen von Online-Angeboten niedriger als in anderen Bundesländern sind. Doch wie uns die vermittelte Nähe durch das Teilhaben am Leben der Kandidaten in unserer Wahlentscheidung beeinflussen kann, ist schwer messbar. So kann mir ein Kandidat sympathischer oder unsympathischer werden, wenn ich z.B. über Twitter ein wenig an seinem Leben teilnehmen kann. Er wird in den aller meisten Fällen menschlicher werden und macht so eine pauschale Ablehnung wegen eines Parteibuches nicht so einfach. Einen ähnlichen Effekt kann ein funktionierendes Team (ein Weg, den die CDU offensichtlich gerne – mit unterschiedlichem Erfolg – geht) haben, dessen Engagement für den Kandidaten beeindrucken kann und diesen so besser aussehen lässt.
Einen Aha-Effekt wie ansatzweise im hessischen Onlinewahlkampf hat in diesen drei Wahlkämpfen auf jeden Fall gefehlt. Die Satire auf das Getwitter von Thorsten Schäfer-Gümbel durch Martin Sonneborn war eben diesbezüglich ein Glücksfall (oder eine geschickte Strategie??). Eine Aktion dieser Art hätte dem Onlinewahlkampf vielleicht noch einen Schub geben können, aber beeinflussen wird er auch diesmal wohl wieder kaum das Wahlergebnis.
Sylvia Braun ist Autorin des Blog Politik 2.0, das sich mit der Tauglichkeit von politischen Internetseiten im Hinblick auf deren Interaktivität beschäftigt. Sie ist selbstständig tätig, berät bei der Konzeption von politischen Internetseiten und führt Website-Checks durch.
Bilder: Die jeweiligen Parteien