Man stelle sich das mal für einen Moment vor. Es ist später Abend, irgendeine deutsche Fernsehsendung läuft. Vielleicht Stuckrad Late Night, vielleicht Harald Schmidt. Bisher dümpelt die Sendung vor sich hin, nichts weltbewegendes ist passiert. Der Moderator lässt sich gerade darüber aus, dass Politik viel zu oft dröge, mit schwerer Sprache und ohne Bezug zu den Zuschauern erklärt wird. Im Kopf hat man die Bilder, wie ein Patrick Döring oder eine Andrea Nahles ein Statement verliest, dessen Satzkonstruktion schon nur noch mit einem Diagramm verstanden werden kann. Auf einmal betritt Angela Merkel die Bühne und sagt, dass ihr das auch gewaltig auf die Nerven gehe. Im Hintergrund bezieht eine Band Stellung und in einer Kombination aus szenischer Lesung und Musik erklärt die Kanzlerin in einfachen Worten, wie sie die Bildungspolitik im Land vorwärts bringen will. Sie spricht klare Worte, stellt den ganzen Sachverhalt dar und nicht nur einen verkürzten Ausschnitt. Und trotzdem oder gerade deswegen weckt sie das Interesse der Zuschauer.
So absurd das in Deutschland klingt, in Amerika kann das ganz einfach passieren. Barack Obama kommt nicht zu Harald Schmidt, sondern zu Jimmy Fallon. Gemeinsam erklären sie, wie Obama dafür eintritt, dass ein Studium in den USA nicht noch teurer wird, als es ohnehin schon ist.
„Slow Jam the News“ – und im Hintergrund spielt die Band.
Natürlich wird Angela Merkel nicht spontan eine Überdosis Charisma erhalten. Und Harald Schmidt oder Benjamin von Struckrad-Barre sind nicht auf einmal die Könige der Unterhaltung wie ihre amerikanischen Vorbilder. Aber der Grundgedanke ist schon faszinierend. Warum muss Politik stur und verkopft erklärt werden, warum muss man sich in Talkshows mit Fakten die Köpfe einschlagen, die kaum noch nachvollziehbar sind, warum findet Politik in Unterhaltungssendungen so wenig Platz? Selbst Stuckrad schleust die Politiker durch seine Sendung, nur um beim ersten Anflug von inhaltlicher Tiefe in absurde Tanzspiele zu wechseln. Man braucht keine Band im Hintergrund, man braucht keinen Barack Obama. Sondern eine einfache Sprache und die Lust dazu, auch einmal an ungewöhnlichen Orten über Politik zu reden. Und das können ruhig auch mal Spitzenpolitiker sein. Nicht nur Omid Nouripour kann das, sondern auch Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Jürgen Trittin.
Via Erik Meyer