Medienzukunft auf Abruf

„Das Internet wird das Fernsehen ablösen, wenn auch nicht in den nächsten drei bis vier Jahren“ sagte Markus Kavka am Montag auf einer Soirée der NRW School of Governance. Eine steile These eines Mannes, der mit dem Fernsehen berühmt und inzwischen zum Grenzgänger der Medienwelten geworden ist. Für MySpace moderiert er im Netz, das ZDF lässt sich von ihm das Internet in die Mattscheibe tragen.

Auch die Zukunft der Zeitungen sieht Kavka nicht im alten Format: „In zehn Jahren wird es keine gedruckten Tageszeitungen mehr geben.“ Man muss sich nur die Diskussionen der vergangenen Wochen ansehen, um ihn nicht mehr als Solisten zu sehen. Der Internet-Chor besingt gemeinsam das noch nicht einmal vorgestellte iTablet von Apple. Auf Carta schreibt Wolfgang Michal: „Das iTablet könnte das definitive Ende des Gutenberg-Zeitalters bedeuten.“ Ulrike Langer verweist in ihren Medienlinks auf den österreichischen Journalisten Georg Holzer, der im kommenden Jahr ein ehrgeiziges Projekt starten will, das eindeutig inspiriert ist von der Vision des Internettabletts als neuem Medienträger. Eine „Tageszeitung für die digitale Wissensgesellschaft“ will er herausgeben und damit das „Beste aus digitaler und analoger Welt“ vereinen.

Internet die bessere Zeitung?

In der Tat bietet ein multimediales Tablett spannende Perspektiven für das Format Zeitung. Aktueller wäre man allemal, denn die Nachrichten auf dem morgendlichen Weg zur Arbeit wären nicht die Nachrichten vom Vorabend, sondern kämen frisch aus den Redaktionen. Dazu könnte man gleich die schon entstanden Diskussion der anderen Zeitungsleser verfolgen, die sich unaufdringlich aber einfach zu erreichen am rechten Rand des breiten Bildschirms aufreiht. Über Verweise und Links könnte man Hintergrundinformationen zum Artikel bekommen oder sich die ursprünglichen Quellen ansehen. Der Blick zum weiteren Angebot des Anbieters wäre ohnehin nur einen Fingerdruck entfernt.

Irgendwie kommt man nicht um den Gedanken herum, dass die Möglichkeiten des Internettabletts gar nichts so neues sein können. Links und Diskussionen gibt es schon auf jeder besseren Zeitungsseite im Netz, auf Blogs gehören sie schlicht zum guten Ton. Und auch das in der Vorführung von SportsIllustrated so faszinierend umgesetzte multimediale Erlebnis mit Videos und Statistiken, erklärenden Grafiken und Illustrationen, ließe sich bereits heute im Internet umsetzen. Doch verwirklicht wird es kaum.

Sind Tablet-PCs die Zukunft?

Einen großen, fast unschätzbaren Vorteil böte das Tablett jedoch in der Zugänglichkeit von Informationen. Es könnte gewissermaßen die Informationsfülle des Internets mit optischen Anleihen bei den bekannten gedruckten Magazinen aufbereiten und durch Multimedia aufwerten. Nicht zu vergessen die hardwareseitigen Gewinne des extrem handlichen und leichten iTablets. Mit 10 Zoll soll es fast so breit sein wie ein DIN A4 großer Briefbogen. Doch ob das wirklich reicht für eine massenhafte Verbreitung? Immerhin hat eine herkömmliche Zeitung keinen Akku, der womöglich nach 4-5 Stunden intensiver Nutzung aufgibt. Eine Zeitung kann man zusammenfalten und in die Aktentasche oder in den Mantel stecken, sie kann herunter fallen und nicht zerbrechen. Man kann auf dem Frühstückstisch Marmelade und in der Garage Motoröl darauf verteilen, ohne ein kleines Vermögen zu verlieren.

appletv

Etwas einfacher scheint da der Weg für eine Ablösung des ausgestrahlten Fernsehens zu sein. Schon heute gibt es Geräte wie das Apple TV, über das man Filme und Musik herunterladen und genießen kann. Auch hochgerüstete Spielekonsolen bieten Zugänge zu Filmportalen im Netz an und sind nicht weit vom neuen Herzstück des heimischen Fernseherlebnis entfernt. Denn bei diesen Geräten wurde einfache Bedienung (und funktionierende Bezahlmodelle) in eine Technikumgebung eingepasst, die sich problemlos mit dem digitalen Zuhause versteht.

Um aber das Fernsehprogramm über Satellit, Kabel und Antenne wirklich ablösen zu können, fehlt noch ein wenig Anpassung an die alltäglichen Sehgewohnheiten. Es fehlt eine plattformübergreifende Lösung für Live-Sendungen wie das omnipräsente Wetten dass..? oder das sonntagabendliche kollektive Tatort-Erlebnis. Auch die im Fernsehen oft so primitiv gelöste Interaktivität über Anrufe beim Sender ist noch nicht ausreichend im Netz abgebildet.

Was bietet das Internet fürs Fernsehen?

Völlig fehlen aber die eigentlichen, netzspezifischen Vorteile einer kreativen Multimediaplattform für das Wohnzimmer. Während das neue heute-Studio des ZDF schon mit beeindruckenden bis beängstigenden Animationen wirbt, lässt sich in keiner Nachrichtensendung von Hand Zusatzmaterial auswählen oder bestimmte Abschnitte überspringen.

Wer vermag zu sagen, wie lange gewisse Entwicklungen noch auf sich warten lassen. Während beim TV nur noch ein wenig Programmierarbeit zu fehlen scheint, ist es doch gerade die einheitliche oder verbindende Plattform, die eine große Hürde darstellt. Im Zeitungsbereich brechen gerade Neuentwicklungen auf, die große Revolution einzuläuten. Doch auch hier wird noch viel Arbeit nötig sein.

Man kann den Medienhäusern nur mit auf den Weg geben, den Weg ins Internet auch im Einklang mit den Interessen der Leser und Zuschauer zu beschreiten. SportsIllustrated beispielsweise baut in ihrem Demonstrationsfilm eine Funktion ein, mit der man als Leser beliebige Inhalte an seine Freunde und Bekannte in sozialen Netzwerken wie Facebook weitergeben kann. Georg Holzer möchte ebenfalls seine Inhalte von den Lesern weitergegeben sehen und verzichtet daher auf ein Rechtemanagement mit DRM.

Holzer kalkuliert übrigens dennoch mit einem einträglichen Geschäftsmodell, denn soziale Verknüpfungen und Bezahlmodelle müssen sich nicht ausschließen – weder bei der Zeitung noch beim Fernsehen der Zukunft.

Medienzukunft auf Abruf

Hat Markus Kavka also recht? Klar ist, dass das Internet mit einiger Entwicklungsarbeit durchaus das heimische TV-Gerät ebenso ersetzen kann wie die alltägliche Zeitungslektüre. Doch es ist ebenso klar, dass die Leser und Zuschauer nur ungern ihre Gewohnheiten verändern werden, wenn sie viele Nachteile davontragen. Erst wenn die Veränderung wenig Nachteile aber umso mehr Vorteile mit sich bringt, wird diese Medienrevolution stattfinden. Es scheint, als läge Kavka mit seinen 10 Jahren dabei gar nicht so schlecht.

Bilder: Screenshots Apple, YouTube