Rot-Grüne Unterwäsche

Mit großem Tamtam wurde gestern der rot-grüne Koalitionsvertrag für die erste nordrhein-westfälische Minderheitsregierung präsentiert. Und mit dieser Hypothek geht man im Wunsch-Duo auch offen um. Hannelore Kraft wird von WELT ONLINE zitiert:

„Wir werden eine stabile Regierung aufbauen“, sagte die SPD- Landesvorsitzende Hannelore Kraft bei dem Festakt. „So stabil wie möglich.“

Das Design des Koalitionsvertrages jedoch wirft schon die ersten spöttischen Fragen auf. Während bei Twitter gefragt wird, ob denn der Reißverschluss der rot-grünen Jacke nun nach oben oder nach unten gezogen würden – ob man sich also warm an oder doch eher ausziehen will – vermutet die CDU ganz andere Unterwäsche hinter dem Zipper:

Endlich online am Wahlabend

In den Online-Wahlkämpfen der letzten Jahre wagten die Parteien Stück für Stück mehr. Am Wahlabend jedoch war gewöhnlich Funkstille im Netz. Die Sieger der Wahl feierten ausgelassen, gaben ein Fernseh-Interview nach dem anderen – während die Wahlverlierer sich in Krisensitzungen und Telefonaten mit der Bundesführung abstimmen und neu sortieren mussten. Für die Pflege der Internetseiten blieb da keine Zeit und so zeigten sich diese oft bis zum Wochenanfang noch mit Wahlaufrufen geschmückt. Der sonst nicht wirklich spektakuläre Online-Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen bricht damit. Die Parteien setzen auch am Wahlabend gezielt ihrer Internetseiten ein.

Die Wahlverlierer um den nun vermutlich ehemaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers scheinen schon vor der Wahl ihre Kommunikationslinie für eine Niederlage abgestimmt zu haben. Jedenfalls findet sich schon jetzt auf der Startseite der nordrhein-westfälischen CDU die wenig eingängige Krisenverlautbarung: „NRW muss weiter stabil regiert werden“. Man scheint sich in der Parteizentrale wirklich ausschließlich um eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei Gedanken zu machen. Hinter den Kulissen wird es aber wohl mehr um personelle Konsequenzen gehen. Kann Rüttgers den Oppositionsführer machen oder gar in einer großen Koalition Hand in Hand mit Hannelore Kraft arbeiten? Jedenfalls hat man auf der CDU-Seite schon das Wahlergebnis aufgenommen und bekennt „starke Verluste“.


Die Sozialdemokraten sehen sich als Wahlsieger und können in der Tat stolz sein, so nah an die gewünschte rot-grüne Koalition heran gekommen zu sein (die Auszählungen laufen noch). Auf der großen Bildbühne bedankt man sich bei den Wählerinnen und Wählern und bietet leicht zugänglich die Hochrechnungen, Prognosen und Wahlkreisergebnisse an. Zwar wird hierfür nur ein Angebot der dpa übernommen, aber alle nötigen Informationen sind auch ohne großes Eigeninitiative zu erkennen.

Bei den Grünen hat man sich die letzten 3 Tage und Nächte um die Ohren geschlagen, um in letzter Minute noch Wählerfragen zu beantworten und Überzeugungsarbeit zu leisten. Aus der Distanz scheint dieses Angebot, wie auch bei der Bundestagswahl, sehr gut angekommen zu sein. Leider hat man noch nicht den rechten Weg in die Nachberichterstattung der Wahl gefunden. Noch immer leitet gruene-nrw.de auf die Livestream-Seite um und auch der Link zur klassischen Parteiseite bleibt hinter den Angeboten der anderen Parteien zurück.

Die größten Verlierer der Wahl sind wohl die Freidemokraten. Möglicherweise lag es am Besucheransturm, aber vielleicht will man auch keine Aussagen mehr treffen: Die FDP-NRW-Internetseite ist jedenfalls derzeit nicht zu erreichen.

Da ist man selbst bei der sonst nicht gerade netzaffinen LINKEN weiter. Hier freut man sich über das Überspringen der 5-Prozent-Hürde und stellt den interessierten Leserinnen und Lesern auch gleich noch die neue Fraktion der Linken im Düsseldorfer Landtag vor.

NRW-Blogs ersetzen die Presse

Wenn dieser Tage über das Ergebnis der Landtagswahl am kommenden Sonntag spekuliert wird, kommt schnell die Sprache auf die Skandale der Rüttgers-CDU. Immer wieder tauchten in den vergangenen Monaten Berichte auf, wie die CDU Regierungs- und Parteiarbeit nicht sauber trennte oder welche Arbeitsbedingungen in den Büros herrschten. Die brisanten Details stammten aber nicht aus den Redaktionscomputern der Presse, sondern wurden auf Blogs veröffentlicht. Ein Blick auf die Weblogs rund um die NRW-Wahl.


Blogs haben Tradition in Nordrhein-Westfalen, bei den Sozialdemokraten bloggt man schon seit der Landtagswahl 2005. Aber nicht nur die SPD betreibt ein Blog, auch die CDU und die Grünen bespielen solche Plattformen. Dabei verfolgen die Parteien unterschiedliche Konzepte. Die SPD möchte, so der Untertitel des Blogs, aufschreiben, was zwischendurch passiert. In der heißen Wahlkampfphase jedoch werden sich die Beiträge immer ähnlicher. Neue Umfragewerte der SPD werden notiert, auf die Videos der Unterstützerkampagne des Kraftvolls wird verwiesen und Presseberichte werden verlinkt. Bei der CDU wird es noch zurückhaltender. Die Beiträge kommen weniger häufig und sind mehr als Verlautbarungsorgan der Kampagnenmaschine zu verstehen. Bei den Grünen versucht man dem entgegen zu wirken, indem man zahlreiche Autoren gewonnen hat. Bundestagsabgeordnete der NRW-Grünen schreiben ebenso selbst wie die Landesvorsitzenden, die Spitzenkandidatin oder Direktkandidaten. Die größere Bedeutung im aktuellen Wahlkampf aber haben nicht die Parteiblogs, sondern eine ganz neue Gattung.

Bei Wir in NRW schreiben Journalisten, die von ihren Zeitungen nicht genug Freiraum bekommen. David Schraven erklärt bei den Ruhrbaronen:

Betreiber des Blog ist Alfons Pieper. Genau, der ehemalige langjährige Vize-Chefredakteur der WAZ. Ein politisches Schwergewicht mit dicken Drähten in die Landesverwaltung. Dazu kommen einige handverlesene Autoren, die unter Tucholsky-Pseudonymen Interna aus dem Haus Rüttgers verbreiten. Und aus dem Lager der CDU stammen. Es heißt, ihnen sei peinlich, wie Rüttgers seine eigene Partei stromlinienförmig gestriegelt habe. Und dagegen wollten sie sich wehren. Im Dienste der Demokratie. Ich nehme den Leuten das ab.

Michael Spreng sieht ebenfalls eine direkte Verbindung zur CDU. Die geheimnisvolle Quelle nennt er Mister X:

Dieser Mister X (dahinter stecken ehemalige CDU-Mitarbeiter, die Rüttgers nur zu gut kennt) ist ein medienerfahrener Mann, der weiß, mit welchem Timing die Enthüllungen ihre schädlichste Kraft entfalten. Zusammen mit dem schwarz-gelben Chaos in Berlin ist dies eine so unheilvolle Kombination, dass wahrscheinlich auch stärkere Naturen als Rüttgers wenig dagegen ausrichten könnten. Aber noch eine Woche muss er diesen Zangenangriff durchstehen. Wahlkampf ist wirklich kein Vergnügen.

Es ist schon faszinierend, dass politische Blogs nach 2005 noch einmal zu einiger Bedeutung kommen in Deutschland, ohne dass sie im engsten Sinne als Blogs zu sehen sind. Natürlich, die Beitragsform und die Veröffentlichungsart sind die eines Blogs, aber es scheint sich mehr um einen Ausweg für politisch gegängelte Journalisten zu handeln. Die engen Quellenverbindungen der Nachrichtenmacher in die Parteizentralen würden einem Blogger nie offen stehen.

Die Frage nach der Bedeutung der Blogs im Landtagswahlkampf sollte also eigentlich umformuliert werden und lauten: Wie schlimm ist es eigentlich bestellt um die politische Presse in Nordrhein-Westfalen?

Interview IV: FDP-NRW

Welche Rolle spielen die klassichen Parteiwebsites in den derzeit laufenden Onlinekampagnen der Parteien in Nordrhein-Westfalen? Auf welche Kommunikationsplattformen setzen die Parteien im Wahlkampf und warum? Diese und noch mehr Fragen werden wir in den kommenden zwei Wochen den Personen hinter den Onlinekampagnen stellen.

Im Interview Thorsten Anders (Referent für Kampagnen und Organisation der FDP-NRW), zur aktuellen Onlinekampagne der FDP-NRW.

NRW-Jusos wecken WählerInnen mit Facebook (und frischem Kaffee)

von Christian Obrok

Wir Jusos haben für den Schlussspurt der Landtagswahl die Facebook-App „Mitentscheiden“ entwickelt. Wer will, kann dort seine Adresse hinterlassen und sich von uns am Wahlsonntag mit heißem Kaffee wecken lassen. Hunderte von Menschen in ganz NRW haben sich schon angemeldet.

Die Idee dahinter ist Folgende: Jede und jeder von uns hat Freundinnen und Freunde, die es im Prinzip wichtig finden, wählen zu gehen. Der Wahltag kommt dann für viele aber doch so überraschend wie der Wintereinbruch für die Deutsche Bahn. Und plötzlich haben unsere besten Freunde just an dem Tag der Entscheidung keine Lust aufzustehen, weil das letzte Bier am Abend schlecht war oder sie finden Politik doch zu spießig oder zu korrupt, um mitzumachen. Die Jusos als Organisation können daran unmittelbar nicht viel ändern. Aber unsere Mitglieder – wir als Menschen – können es.

Daher haben wir unseren gesamten Online-Wahlkampf darauf ausgerichtet, unsere Mitglieder zu motivieren, sich zu ihrem politischen Engagement zu bekennen und mit ihren Bekannten über Politik zu reden. Sie bewegen die Menschen in ihrem persönlichen Umfeld dazu, wählen zu gehen und sich gemeinsam für einen Wandel in NRW stark zu machen.

Wir nennen dies intern: „Online organizing for offline action“.

Wir erreichen unsere Mitglieder und Sympathisanten am besten und schnellsten über das Internet. Vor allem über E-Mail und Facebook. Wir langweilen sie nicht mit langen Newslettern oder „Schaut-wir-sind-toll-Massenmails“, sondern konaktieren sie dann, wenn sie in ihrem Umfeld oder im Rahmen einer Aktion etwas Konkretes tun können für die Kampagne.

Die Mails verschicken wir möglichst personalisiert aufgrund der politischen Interessen, des Wohnorts und der Handlungsbereitschaft unserer Mitglieder. Auf unserer Webseite, in unserem Blog und wiederum auf Facebook bilden wir das ab, was vor Ort passiert. Außerdem bieten wir den Raum allen an, die berichten wollen, was bei ihnen vor der Haustür abgeht. So schaffen wir ein Gemeinschaftsgefühl, das die Leute zu mehr motiviert.

Das war auch der Gedanke hinter unserer Facebook-App „Mitentscheiden“: Unsere Mitglieder haben sie in den letzten Tagen in ihrem Freundeskreis verbreitet. Sie klicken den „Gefällt-mir-Button“ und machen mit bei der eingebauten Aktion „HeldIn der Demokratie“. Bislang hat unsere App knapp 2.000 Anhängerinnen und Anhänger gefunden. Diese hätten wir mit klassischem Wahlkampf nicht auf die Wichtigkeit des Wählens aufmerksam machen können.

Christian Obrok ist Jugendbildungsreferent bei den NRW Jusos