Social Network Life

Bereits in zwei Artikeln haben wir uns in jüngster Zeit mit der Thematik der sozialen Netzwerke auseinander gesetzt: „Zweiklassensystem im Internet“ & „Facebook als Bolognaplattfom„. Zunächst haben wir dabei den Blick besonders auf die Situation in der Studierendenschaft gelenkt. Doch der „new culture clash on the internet”, wie Mercedes Bunz ihn nennt macht nicht vor der Welt außerhalb der Universitätshallen halt.

Lokale Unterschiede

In Deutschland wird dies insbesondere anhand der lokalen Unterschiede von sozialen Netzwerken deutlich. Beispiele hierfür sind die beiden Netzwerken Lokalisten und Wer-kennt-wen. Während die Lokalisten sich vor allem in Süddeutschland etablieren konnten, hat Wer-kennt-wen insbesondere in Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen Mitglieder gefunden. Das heißt auf der einen Seite wird die Aufhebung der räumlichen Distanz durch das Internet gefeiert, auf der anderen Seite trifft man auf den genannten Plattformen insbesondere Personen, mit denen man auch mehr oder weniger regelmäßig in realweltlichem Kontakt steht. In diesem Zusammenhang kann man beispielsweise bereits durch einen Umzug schnell vor dem Problem stehen auf Grund der Mitgliedschaft in einem extrem regional begrenzten Netzwerk nicht an der Diskussionen seiner Umgebung teilnehmen zu können.

Spezialnetzwerke

Neben diesen regionalen Netzwerken sind jedoch noch weitaus mehr Spezialnetzwerke entstanden. Jedes Hobby oder Interessensgebiet hat sich einen eigenen Raum im Internet erobert. Das reicht von mycat.de, über meinsport.de, evangelisch.de bis grafiker.de. Innerhalb dieser engumgrenzten Mikrokosmen kommunizieren Personen mit gleichen Interessensgebieten und Intensionen miteinander. Doch verhindern die harten Grenzen der Netzwerke eine Kommunikation zwischen den verschiedenen Gruppierungen.
Ein weiteres dieser Spezialnetzwerke ist Xing. Das Karierenetzwerk verbindet nach eigenen Angaben Geschäftsleute und Berufstätige miteinander. Studenten die sich bereits zuvor mit der StudiVZ- oder Facebook-Entscheidung konfrontiert sahen, müssen nun mit einer weiteren Entscheidung umgehen: „Xing: ja oder nein“. Spätestens das erste Praktikum zeigt den meisten Studenten, dass sie ihre gesammelten Kontakte über StudiVZ oder Facebook nicht verwerten können, sondern die Berufswelt sich auf einer anderen Plattform versammelt hat. Neben den vielen Economy-Class-Netzwerken ist eine Art Business-Class entstanden. Der einfache Student ist hin und her gerissen zwischen einer beruflichen Präsentation via Xing und einer eher privaten Präsentation via Facebook oder StudiVZ. Über Xing kann er nur schwer Kontakt zu seinem universitären Umfeld halten und gerät so in ein Entscheidungsdilemma welcher Plattform er mehr Aufmerksamkeit schenkt. Dieses Dilemma kann als eine Art „Spaß- oder Karriere-Dilemma“ ausgemacht werden. Ebenso wie im realen Leben wird es notwendig sich unterschiedlich zu präsentieren: Die Anzugfraktion steht der T-Shirtfraktion entgegen.

Social Network Sites als von einander getrennte Räume

Während Weblogs die Entstehung einer Blogosphäre, also stark miteinander vernetzte Angebote, ermöglichten, stellen Social Network Sites komplett von einander getrennte Räume dar. Sobald man seine Konzentration auf eine Plattform lenkt, können einen auf einer anderen Plattform relevante Informationen verloren gehen. In ihren Grundstrukturen sind die Plattformen alle gleich. Sie verfolgen das Ziel, Menschen miteinander zu verbinden und die Kontaktaufnahme zu erleichtern. Doch unterscheiden sie sich stark in ihren Nutzergruppen.

Generationennetzwerke

Man könnte meinen, dass inzwischen nicht nur jede Interessensgruppe sondern auch jede Generation ihre eigene Plattform nutzt. Dem Schüler (SchuelerVZ) ist es nicht möglich, mit seiner studierenden Schwester (Facebook), seinen Eltern (Xing oder Werkenntwen) oder den Großeltern (feierabend.de) zu kommunizieren. Das ist auch von daher interessant, dass besonders immer mehr Jugendliche keine eigene Email-Adresse, aber ein SN-Profil, besitzen. Die Mailfunktion von Social Network Sites hat diesen Dienst teilweise ersetzt, jedoch wird der Mailverkehr radikal eingeschränkt.

Es zeigt sich also immer mehr, dass man mit dem Alter aus Netzwerken herauswachsen kann. Ein Netzwerk ersetzt das nächste. Das heißt im Rückschluss, die Digital Natives werden im Laufe ihres Lebens etliche Social Network Sites genutzt haben. Schwierig ist dieses Problem insbesondere für die politische Kommunikation, da die Parteikampagnen immer vor der Frage stehen, welche Plattform für sie am relevantesten ist. Mit jeder Entstehung eines neuen sozialen Netzwerkes wird die Differenz zwischen den von einander abgetrennten Gruppierungen deutlich. Häufig sind desweiteren die digitalen Netzwerke doch mit Rückkopplungen in die Offlinewelt verbunden. Beispielsweise fällt es einem jungen Menschen, der nicht studiert schwer auf einer Studentenplattform ein Kontaktnetzwerke aufzubauen, wenn er realweltlich keine Studenten kennt. D.h. für die Netzwerkbildung sind in den meisten Fällen Personen notwendig die einen den Einstieg in ein Netzwerk ermöglichen.

Bildnachweis: flickr.com (A.Schwenke)

Facebook als Bolognaplattfom

Bereits vor einiger Zeit haben wir uns an dieser Stelle mit der von dana boyd konstatierten Zweiklassengesellschaft im Internet auseinander gesetzt („Zweiklassensystem im Internet„). boyd ist der Meinung, dass (für die USA gesehen) eine Konkurrenz zwischen den beiden Plattformen Facebook und MySpace entstanden sei, die sich inzwischen bis zu einem Zweiklassensystem stilisiert hätte.

Inzwischen wurde diese Idee beispielsweise von Mercedes Bunz weiterentwickelt, die von einer Konkurrenz zwischen Twitter und den Facebook-Statusmeldungen ausgeht („The war of private news has just begun: facebook vs. twitter“). Auch deshalb lohnt sich nun ein genauerer Blick auf die Situation in Deutschland.

StudiVZ vs. Facebook

Betrachtet man die beiden unter jungen Erwachsenen besonders beliebten sozialen Netzwerke StudiVZ und Facebook kann man zu ähnlichen Ergebnissen wie boyd kommen. So spaltet sich die deutsche Studierendenschaft mehr denn je in StudiVZ- und Facebook-Anhänger. Bislang gibt es nur wenige, die mehrere Plattformen gleichzeitig nutzen. Besitzen sie doch mehrere Profile nebeneinander, werden diese häufig nicht in gleicher Weise genutzt. 2006 noch war StudiVZ eine Art Geheimtipp unter den Studierenden. Rasch konnte die Plattform eine immer größere Aufmerksamkeit und Nutzerzahl erreichen. Doch während StudiVZ zunächst vor allem ein Netzwerk der netzaffineren Studierenden darstellte kamen neben der weiteren Studierendenschaft nach und nach auch immer mehr Menschen außerhalb der Hörsäle hinzu. Dies führte letztlich auch zu der Gründung von SchuelerVZ und MeinVZ. Doch zeitgleich konnte Facebook in Deutschland an Einfluss gewinnen. Anders als in den meisten Ländern weltweit gehört Facebook, durch die frühe und starke Konkurrenz von StudiVZ, in Deutschland nicht zu dem reichweitenstärksten Netzwerken. Da Facebook jedoch das Ziel hat, auch in Deutschland eine Vormachtstellung aufzubauen, ist ein Kampf um die Studierendenschaft entbrannt.

Facebook als Bolognaplattform

Facebook konnte vor allem bei international ausgerichteten Studenten punkten, die beispielsweise nach einem Auslandsaufenthalt über die Plattform mit weltweiten Freunden in Kontakt bleiben können. Hier stellt es sich als Vorteil dar, dass Facebook die Beliebtheitsskala in den meisten Ländern anführt und dadurch das weltweit größte Netzwerk darstellt. StudiVZ wiederum vereint zwar in Deutschland die meisten Profile auf sich ist jedoch nicht international ausgerichtet. Dadurch tritt Facebook immer mehr als Netzwerk der weltweit orientierten Studierenden auf. StudiVZ dagegen hat sich mehr als lokal begrenztes Netzwerk positioniert. Man kann dabei zwar nicht wie boyd zwischen „ghetto“ und „honor-kids“ unterscheiden, sondern eher zwischen Facebook als Bologna-Netzwerk und StudiVZ als Netzwerk der alten Schule alten Studienordnung. Nicht nur die Studenten haben sich den Veränderungen angepasst und ihr Studium internationaler ausgerichtet, sondern auch deren digitalen Netzwerke, denen sie sich bedienen um miteinander zu kommunizieren. Die Studierendenschaft in den deutschen Hörsälen setzt sich also nicht nur realweltlich aus den verschiedensten Gesellschaftsgruppen zusammen sondern erscheint auch digital als dispers.

„cultural wall“

Doch Facebook und StudiVZ weisen keine Schnittstellen auf, die es ermöglichen beide Plattformen miteinander zu verbinden. Deshalb sind die Nutzergruppen räumlich voneinander getrennt. Die von boyd ausgemachte „cultural wall“ verhindert eine gemeinsame Kommunikation.

Bild: flickr.com (Paolo Màrgari)

Zum Abschluss des Netzwerk-Barometers

Sechs Wochen nach der Landtagswahl in Hessen haben wir die Aktualisierung des Netzwerk-Barometers eingestellt. Wir hoffen in den letzten Wochen einen interessanten und aufschlussreichen Überblick über die Performance der hessischen Spitzenkandidaten in den bekannten Social Networks gegeben zu haben.
Es wird deutlich, dass nach dem Wahltag am 18. Januar 2009 starke Entwicklungen zu verzeichnen waren. Nun scheint es jedoch ruhiger um die Profile der hessischen Spitzenkandidaten geworden zu sein. Trotzdem lohnt sich ein abschließender Blick:

Interview mit Dr. Christoph Bieber zum Abschluss des hessischen Netzwerk-Barometers

dr-christoph-bieber

Welchen Nutzen hatten und haben die Unterstützer für die Kandidaten?

Dr. Bieber: Das ist schwer zu sagen – wie man aus den Kampagnenumfeldern hört, war eine Vielzahl der Unterstützer nicht in Hessen wahlberechtigt. Die Zahl der Wählerstimmen dürfte sich so also nicht unbedingt erhöht haben. Ein wesentlicher Nutzen sind aber natürlich die Kontaktdaten der „Freunde“ bzw. „Follower“: in der nächsten Zeit werden sicherlich einige Anfragen und Aussendungen an die Unterstützer versendet werden. Für die Europa- und die Bundestagswahl kann so allmählich ein größerer Datenbestand aufgebaut werden. Weiterlesen