election broadcast 2.0

Wer vor bereits einer Woche das ZDF anschaltete konnte für einen kurzen Augenblick das Gefühl haben, auf einem amerikanischen Fernsehsender gelandet zu sein.

Denn während die meisten Zuschauer eine Wahlsendung, wie sie es von Landtags- bzw. Bundestagswahlen im deutschen Fernsehen gewohnt sind, erwarteten, erblickte man ein riesiges Wahlstudio, samt Großbildschirm (der auch so manchen US-Sender Konkurrenz machen konnte) und ein Publikum, dass eher an das ZDF-Sportstudio erinnerte als an eine Wahlsendung. Nur die Fussballtrikots der Zuschauerinnen und Zuschauer stellten sich schnell als Obama T-Shirts herraus.

Doch so weit hergeholt, wie es im ersten moment erscheint, ist der Vergleich mit dem Sportstudio gar nicht gewesen.

Spontan hatte das ZDF die Gunst der Stunde genutzt und die US-Wahl zum Event des Jahres auserkohren. Und hätte man als Zuschauer nicht gewusst, dass in den USA gewählt wird, wäre man in den ersten Minuten möglicherweise von einer Wiederholung des Fussball-WM-Studios ausgegangen. Denn bis auf die Tatsache, dass die Veranstaltung nicht im SonyCenter sondern (wahrscheinlich auf Grund des Wetters) im ehemaligen Berliner Fernmeldeamt stattfand, ließen sich so einige Paralellen finden.

So nutzten die ZDF Moderatoren etwa den aus ZDF-Fussballübertragungen bekannten Touchscreen um spontan auf aktuelle Reaktionen, Videoclips oder Wahlergebnisse in den verschiedenen Bundesstaaten reagieren zu können. Daneben wurden eine ganze Reihe von Experten aufgeboten, die das ganze Geschehen von ihrer Seite aus analysierten.
Und selbst der „Wahlstandanzeiger“ am Bildschirmrand, der darstellte wie viele Wahlmänner die beiden Kandidaten derzeit auf sich vereinigten, errinnerte in gwisser Weise an Sportübertragungen.
Selbst das Publikum ließ letztlich keinen Zweifel daran aufkommen, das es sich nicht um eine gewöhnliche Wahlsendung handelte. So wurde jedes für Obama positive Ergebnis fast ebenso frenetisch gefeiert, wie ein Auftritt von Robbie Williams oder Madonna in der Sendung „Wetten Das…?“.
Die Einzigen die jetzt noch gefehlt hätten wären Johannes B. Kerner und Thomas Gottschalk als „Gastgeber“ der Sendung gewesen…

Doch das genau dieses „Sportstudio-Format“ beim Zuschauer scheinbar ankommt, zeigen die Zuschauerquoten. So konnte das ZDF die Mitkonkurrenten RTL, ARD und SAT1 deutlich abhängen.
Das ZDF kam mit seiner Sendung ab 23.55 Uhr auf einen Schnitt von 780.000 Zuschauer und damit einen Marktanteil von 15 Prozent. RTL wiederum sendete ab 00.30 Uhr und konnte mit 580.000 Zuschauern einen Marktanteil von 13,3 Prozent erreichen. Die ARD schaffte es, laut digitalfernsehen.de, jedoch nur auf 11,2 Prozent. Insgesamt hätten bis 3 Uhr rund 2,7 Millionen Bürger mindestens eine der Sendungen zur US-Wahl verfolgt.

Das Erste landete im Quotenwettrennen in der Wahlnacht also gar nur auf den Dritten Platz, hinter ZDF und RTL. Schuldig gemacht wird dafür die Wahl des „alten“ Wahlstudioformats. Während das ZDF nämlich aus Berlin sendete (was der Zuschauer nur durch sehr genaues Beobachten feststellen konnte) sendete die ARD aus einem kleinen Studio in Washington.
Dem SPIGEL zufolge hätten sich die ARD-Verantworlichen diesen Fehler jedoch bereits eingestanden. So sei die Emotionalität der Wahlnacht in ihrem Format nicht vermittelt worden. Desweiteren habe man sich schon die Frage gestellt, ob es sich künftig noch lohne, vor Ort zu sein, wenn der Zuschau dies nicht bemerke.

Zusammenfassend wird deutlich, dass die Wahlberichterstattung über die US-Wahl in diesem Jahr ein neues Ausmaß angenommen hat.
In gewisser Weise könnte sie gar als Generalprobe für die Bundestagswahl im kommenden Jahr gesehen werden. Auch wenn klar ist, dass eine solche Euphorie für Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier nicht zu erwarten sein wird, werden sicher einige Elemente übernommen werden.

www.change.gov

Kaum 48 Stunden nach seiner Wahl hat Barack Obamas sein Versprechen an seine Wahlkampfhelferinnen und -helfer umgesetzt. Denn die im Rahmen seines Wahlkampfes entstandenen Onlineangebote sollten sich nach der Wahl nicht einfach in Luft auflösen. Deshalb wurde bereits gestern morgen die Website www.change.gov angekündigt. Nach anfänglichen Server- und Scriptfehlern ist die Seite nun online und bietet den Usern einen problemlosen Umstieg von barackobama.com zur nun offiziellen Homepage des „President-Elect“. Doch auf Grund des riesigen Ansturms ist die Website derzeit noch durchgehend chronisch überlastet.

Dort lässt sich u.a. auch die „victory speech“ Obamas in voller länge als Video ansehen.
Und beim anschauen dieser Rede muss man Obama eines anerkennend zugestehen: Er hat es immer wieder geschafft mit Worten die verschiedensten Menschen zu mobilisieren. So sprach er bei seiner Rede in Deutschland im Sommer 2008 davon, dass er sich als „Weltbürger“ sehe und auch so handeln möchte und hob sich damit weit von der Politik Bushs ab.
In seiner Siegesrede am Dienstag dann schaffte er es in wenigen Sätzen das zu bündeln, was für viele Amerikanerinnen und Amerikaner ihren schon fast vergessenen Lebenstraum ausmacht:

„If there is anyone out there who still doubts that America is a place where all things are possible; who still wonders if the dream of our founders is alive in our time; who still questions the power of our democracy, tonight is your answer.

It’s the answer told by lines that stretched around schools and churches in numbers this nation has never seen; by people who waited three hours and four hours, many for the very first time in their lives, because they believed that this time must be different; that their voice could be that difference.

It’s the answer spoken by young and old, rich and poor, Democrat and Republican, black, white, Latino, Asian, Native American, gay, straight, disabled and not disabled – Americans who sent a message to the world that we have never been a collection of Red States and Blue States: we are, and always will be, the United States of America.“


Der viel zitierte Wandel

Unter dem Motto „Change“ stand Barack Obamas Wahlkampf, der ihn zum amerikanischen Präsidenten machte. Beinahe ebenso oft wie der „Wandel“ wurde die „Hoffnung“ beschworen. Und auch in den Wahlkommentaren und Leitartikeln der deutschen Zeitungen zeigt sich ein schon fast unheimlicher Optimismus.

Manche Autoren überschlagen sich geradezu mit Belobigungen für den bisherigen Senator aus Chicago. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung redet von einer „Selbstverständlichkeit und in einer Schwerelosigkeit, wie es in unserer prosaischen Zeit nur schwer in Worte zu fassen ist.“ Amerika sehe nach dieser Wahl anders aus, was allein Obama zuzuschreiben sei. Das Handelsblatt zollt den Wählern Respekt, die trotz aller Unsicherheiten auf einen Mann des Wandels vertrauten. Das Land entscheide sich damit für einen Neuanfang. Rücke man den noch bis vor wenigen Jahrzenten offenkundigen Rassismus ins Blickfeld, könne man diese Wahl gar nicht überschätzen. Die USA hätten sich als modern und erwachsen erwiesen.

Bei aller Hoffnung verschweigen aber auch die deutschen Autoren nicht die Herausforderungen, vor denen Obama nach seiner Amtseinführung 2009 stehen wird. Der Spiegel schreibt: „Wenn die amerikanischen Wähler aufwachen, werden an ihrem Bett allerdings die alten Probleme stehen: Der nicht enden wollende Irak-Krieg, die sich ausweitende Finanzkrise, die parteipolitische und kulturelle Spaltung Amerikas.“ George Bush ziehe zwar um, die Probleme jedoch blieben zurück. Barack Obama habe nun nicht viel Zeit, um sich vom Wahlkämpfer zum Regierungschef zu verwandeln. Die Frankfurter Rundschau bezeichnet die Erwartungen, die auf Obama lasten, als fast übermenschlich.

Gerade in der Außenpolitik wird sich Obama beweisen müssen. Der Spiegel zieht das knappe Fazit: „Der Alleingang der westlichen Supermacht dürfte fürs Erste beendet sein.“ Für den Tagesspiegel ist die neue amerikanische Außenpolitik auch die Herausforderung an die anderen Regierungen der Welt. Es dürfe schwer werden, gegen einen auch im Ausland so populären US-Präsidenten Politik zu machen. Das Handelsblatt sieht darin eine Chance für Obama. Mit der ihm entgegenschlagenden Sympathie könne Obama bei weisem Umgang viel erreichen.

Konträr zu allen anderen Kommentaren fragt in der ZEIT die Schriftstellerin Tanja Dückers sich, ob im Vergleich zum neuen, strahlenden Amerika das europäische Selbstbild in Gefahr ist. Wenn Obama Guantanamo Bay schließe, würde dann auch in der europäischen Politik Schwächen deutlich werden? Könne denn in Deutschland niemals ein Türke oder Roma mit deutscher Staatsbürgerschaft Kanzler werden?

Bildquelle: ZEIT

Americas next cabinet

Ganz in hervorragender Web 2.0 Manier gibt es unter dem Titel „Open Cabinet“ schon ein Wiki, in dem Nutzer über die nächste US-Regierung und ihre personelle Zusammensetzung mutmaßen.

Der Spiegel-Netzweltticker weiß noch mehr:

Präsidenten-Agenda für die USA ist bereits online

Es dauert nur noch ein paar Tage, bis die Amerikaner wissen, wer sie die nächsten vier Jahre regiert. Damit ihr künftiger Staatschef schnell in den Job starten kann, diskutiert die US-Netzcommunity bereits seine politische Agenda und das künftige Kabinett. Der Filmemacher Jim Gilliam hat eine Webseite eingerichtet, auf der Internet-Surfer ihre Prioritätenliste aufschreiben dürfen – und ganz oben steht „Stop the Iraq war“, gefolgt vom Wunsch nach einer Gesundheitsfürsorge für alle Bürger. Wenn es nach dem Willen der Online-Agenda-Setter geht, soll George W. Bush für seine „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zur Rechenschaft gezogen werden. Auf “ BigDialog.org“ können Nutzer ihre Fragen an den zukünftigen Präsidenten per Videobotschaft formulieren, die Community stimmt danach über die Fragen ab. Personalfragen werden auf “ opencabinet.org“ geklärt – hier sollen alle Namen, die in den letzten Tagen vor der Wahl durch US-Medien kursieren, gesammelt werden.

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