Ob ich am 24. September wohl alleine im Wahllokal stehe und einsam meine Kreuze auf den Stimmzettel setze? Zumindest wenn ich mich in meinem Umfeld umhöre, deutet alles darauf hin, dass in den Wahllokalen nicht mit Menschenmassen zu rechnen ist. Egal mit wem ich in den vergangenen Tagen gesprochen habe, häufiger als jemals zuvor hörte ich das Wort Briefwahl. Gewählt wird daheim – unabhängig vom Wahltag.
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Sind Briefwahlen die Lösung?
In den bayrischen Diözesen waren am Sonntag alle Katholiken dazu aufgerufen ihre neuen Pfarrgemeinderäte zu wählen. Unter normalen Umständen eine Meldung, die über die Landesgrenze hinaus kaum für Aufmerksamkeit gesorgt hätte. Spannend ist jedoch, dass die Kirchenmitglieder in Bayern ihre Stimmen in diesem Jahr fast ausschließlich per Briefwahl abgegeben haben. Den Wahlberechtigten wurden die Wahlunterlagen bereits vor dem Wahltag per Post zugeschickt. Auf diese Weise erhoffte man sich eine höhere Wahlbeteiligung. Auf der Website des Erzbistums München und Freising hieß es im Vorfeld dazu:
„Für die Allgemeine Briefwahl sprechen die positiven Ergebnisse in den Diözesen Würzburg und Eichstätt: Während die Wahlbeteiligung bei den letzten PGR-Wahlen in Bayern durchschnittlich 15,6 % betrug, lag die Wahlbeteiligung in der Diözese Würzburg bei 33,4 %. Dort waren alle Wahlberechtigten eingeladen, per Allgemeiner Briefwahl abzustimmen. In der Diözese Eichstätt konnten die Pfarrgemeinden „wählen“, ob sie auf die Allgemeine Briefwahl zurückgreifen. Die Wahlbeteiligung war dort in den Pfarrgemeinden, die dies nutzten, signifikant höher.“
Auch die Kirchenwahl zeigt, dass sich allgemein etwas zu verändern scheint. Seit einigen Jahren nun sind Wahlen nicht mehr zwangsläufig räumlich und zeitlich fest gebunden. Bei der Bundestagswahl haben jüngst knapp 25 Prozent aller Wähler ihre Stimme außerhalb des Wahllokals abgegeben. Der Anteil steigt seit Jahren, von Wahl zu Wahl. Zwar haben es die Briefwähler-Rekorde im Anschluss an die Bundestagswahl für ein paar Tage in die Medienberichterstattung geschafft, aber eine weitreichender Diskussion blieb auch dieses Mal aus. Dabei wäre es längst an der Zeit, den Ablauf von Wahlen in Deutschland auf den Prüfstand zu stellen.
Fakt ist, immer mehr Menschen nutzen die Möglichkeit unabhängig vom Wahltag zu wählen. Seit der Wahlrechtsänderung im Jahr 2008 dürfen sie dies auch offiziell. Zuvor war die Stimmabgabe außerhalb des Wahllokals rechtlich nur möglich, sofern triftige Hinderungsgründe Vorlagen.
Klar ist aber auch, der größte Teil aller Wähler ist nach wie vor im Wahllokal anzutreffen. Berücksichtigt man jedoch das vermutete Altersgefälle, ist davon auszugehen, dass es eine Relevanzsteigerung für das Thema geben wird. Aber leider sind es trotzdem noch immer bloß Spekulationen, wenn davon ausgegangen wird, dass besonders junge Menschen die Möglichkeit der Briefwahl nutzen. Es stellt sich deshalb die Frage, warum sich die Demoskopie anscheinend nicht für das Thema interessiert? Es wäre sicherlich spannend, im Rahmen der Interviews für die Sonntagsfrage mit abzufragen, ob die vorzeitige Stimmabgabe geplant oder bereits erfolgt ist. Die Frage, die sich mir immer wieder stellt ist, ob die Wahlbeteiligung ohne die Möglichkeit der vorzeitigen Briefwahl seit Jahren kontinuierlich sinken würde.
Kaum jemand scheint sich zu fragen, welchen Einfluss Briefwahlen auf Wahlabläufe und -ergebnisse haben. Genauso scheint fast niemand die Briefwahl in Frage zu stellen. Sie ist als allgemeingültige Variante der Stimmabgabe inzwischen anscheinend voll anerkannt. Die gesetzlichen Sozialversicherungsträger in Deutschland führen die Sozialwahl als reine Briefwahl durch und Parteien stellen auf dem Postweg ihre personellen und politischen Entscheidungen zur Abstimmung. Doch kaum jemand äußert Angst vor Manipulationen – oder sie werden für den Komfort bewusst in Kauf genommen. Dabei sind die Möglichkeiten des Betrugs bei der Briefwahl vielfältig. An dem Prozess sind so viele Menschen beteiligt, dass Manipulationen nur schwer zu bemerken sind.
Klar ist, dass es einen Modernisierungsbedarf gibt, was die Möglichkeiten der Stimmabgabe angeht. Aber sind Briefwahlen die Lösung?
Gewählt wird daheim
Über das Wahlergebnis in Bayern wurde inzwischen bereits viel geschrieben. Ein Ergebnis des Wahlabends fand jedoch nur am Rande Erwähnung: der rasante Anstieg an Briefwählern.
Dabei schrieb die Süddeutsche bereits zwei Tage vor der Wahl:
„In München beantragten bis Freitagvormittag etwa 257.000 Wähler ihre Stimmzettel. Das sind fast 80 Prozent mehr als bei der letzten Wahl – und bereits deutlich mehr als ein Viertel aller Wahlberechtigten. Nürnberg zählte 75.000 ausgegebene Wahlunterlagen, vor fünf Jahren waren es nur 46.000.“
In Augsburg habe die Stadt sogar noch Wahlunterlagen nachbestellen müssen (Augsburger Allgemeine: „Briefwahl sorgt für Engpässe“).
Die Argumente der Briefwähler sind vielfältig, doch gerade für junge Menschen scheint es inzwischen selbstverständlich, die Möglichkeit zu nutzen, schon vorab die Stimme abgeben zu können. Dabei geht es häufig um die Flexibilität, die man sich für einen freien Sonntag bewahren möchte, aber auch um die Möglichkeit, den Wahlzettel ohne zeitlichen Druck daheim studieren zu können.
Noch bis 2008 war die Briefwahl nur möglich, wenn man theoretisch einen Hinderungsgrund für die Stimmabgabe im eigenen Wahlbezirk nachweisen konnte. Im März 2008 wurde dieser Passus gestrichen und seitdem kann ein Briefwahlantrag auch dann gestellt werden, wenn kein Hinderungsgrund vorliegt (siehe wahlrecht.de).